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Felidae

Felidae

Titel: Felidae
Autoren: Akif Pirincci
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lackiert oder in dunkelsten Tönen gehalten. Schwarze Seidentücher überzogen das Bett und die Sofas, und auch kleine Accessoires wie Vasen, Aschenbecher, Keramikfiguren und Bilderrahmen, die ein Nest erst so richtig wohnlich machen, trugen die Farbe des Todes. Kurzum, alles glich im großen und ganzen einer extravaganten Familiengruft, kohlschwarze Marmorfliesen inklusive.
    Ich stand jetzt im Flur und hatte durch die offenstehende Tür einen freien Blick in das Wohnzimmer, das, überflüssig zu sagen, ebenfalls auf »black magic« umfrisiert war. Gustav und Archie waren ganz festlich in Smokings gekleidet und dinierten an ei nem gigantischen, schwarzen Marmortisch. Hierbei waren sie von zahllosen, riesenhaften Kandelabern umgeben, deren tausend lodernde Kerzen einen gespenstischen Schein auf ihre Gesichter warfen. Mit kostbarem Silberbesteck, dessen durchdringendes Klimpern unendlich forthallte, hantierten die beiden an schwarzen, mit Fell überzogenen Klumpen auf ihren Tellern. Sie schnitten aus dieser undefinierbaren Masse kleine, schleimige Bissen heraus und führten sie vornehm zum Munde. Als sie mich bemerkten, hielten sie inne, wandten sich mir zu und starrten mich mit leeren Blicken an.
    In diesem Moment sprang die Wohnungstür sperrangelweit auf, und ein kräftiger Windhauch fuhr herein. Nun vernahm ich ein Geräusch, das einer seltsamen Mischung aus Heulen und Winseln glich und aus weiter Ferne zu kommen schien.
    Ich trippelte vor die Türschwelle und versuchte dort, den Ausgangspunkt dieses Winselns zu bestimmen. Kein Zweifel, es kam von oben. Obwohl mir dieses herzzerreißende Gejaule einen Schauer über den Buckel jagte, vermochte ich der Versuchung nicht zu widerstehen, ihm zu folgen. Und aus einer unergründlichen Regung heraus, die wohl teils aus morbider Neugier und teils aus destruktivem Mut bestand, stapfte ich in den finsteren Flur hinaus und schlich ganz langsam die morsche Holztreppe hinauf.
    Mein Herz hämmerte rasend vor Angst, und als die Treppe auf halber Strecke plötzlich eine Rechtsbiegung um hundertachtzig Grad machte, hätte ich beinahe wieder kehrtgemacht. Etwas war sehr merkwürdig. Je weiter ich nach oben gelangte, umso heller wurde es in dem düsteren Treppenhaus.
    Schließlich erreichte ich das erste Stockwerk und stand vor einer halb geöffneten Tür. Ein gleißendes Licht ergo ß sich aus dieser Tür auf das Treppenhaus heraus und machte alles taghell. Das seltsam verzerrte Jaulen wurde noch lauter und intensiver.
    Jetzt, da ich hier stand, war es geradezu meine Bestimmung, in diese weiße Hölle hineinzumarschieren. Es schien keine andere Wahl zu geben. Ich raffte mein klägliches Mutreservoir zusammen und betrat die Wohnung. Im Gegensatz zu unten bestand diese aus einem einzigen großen Saal - nein, es war gar kein Saal, es war schlicht und einfach ein strahlendweißes Nichts. Ich befand mich in einer weißen anderen Welt, in der keine Grenzen, Dimensionen und keine Wirklichkeit zu existieren schienen. Hin und wieder blinkten in der Ferne illuminierende Lichtpunkte auf wie geheimnisvolle Sterne in einem weißen Weltall. Schemenhafte Gegenstände, die Ähnlichkeit mit hochkomplizierten, technischen Apparaturen hatten, wurden wie bewegliche, nur für den Bruchteil einer Sekunde wahrnehmbare Reliefs sichtbar und verschwanden wieder. In all dem Weiß hallte die winselnde Stimme schrill und markerschütternd immer weiter fort, und mit einem Mal erkannte ich, da ß es das herzzerreißende Flehen eines Angehörigen meiner Art war, der um Erbarmen schrie.
    Plötzlich tauchte inmitten dieser sonderbaren Szenerie wie aus denn Nichts ein Mann in einem langen, weißen Kittel auf. Was mich so heftig erschreckte, war aber nicht sein abruptes Erscheinen. Als er den Kopf in meine Richtung drehte, sah ich, dass er kein Gesicht hatte.
    In der einen Hand hielt er etwas, das wie eine Leine oder Halskette aussah und noch intensivere Lichtblitze aussandte als die funkelnden Sterne ringsum. Fasziniert von der Bizarrheit meines eigenen Traums, näherte ich mich langsam dem Mann ohne Gesicht, der jetzt das glitzernde Band wie ein Pendel hin- und herzuschwingen begann. Und mit einer sanften Stimme, die ich ohne weiteres dem süßesten aller Engel zugetraut hätte, fing er an zu sprechen. Eine im wahrsten Sinne des Wortes zauberhafte Männerstimme, so geschmeidig wie der feinste Samt und so wohlklingend wie der Schlu ß akkord einer Harfe. Obwohl mein tiefstes Innerstes mich vor dieser irrealen Stimme
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