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Felidae

Felidae

Titel: Felidae
Autoren: Akif Pirincci
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Parkettbodenverlegens eine Kapazität, sondern auf dem weiten Feld des Renovierens überhaupt. Obwohl die Gefahr bestand, da ß das Endprodukt ein wirres Sammelsurium von hochmodischem Schnickschnack sein würde, willigte Gustav ein, Archie die Oberhand zu überlassen und selber nur als Handlanger zu fungieren. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Die beiden machten sich gleich am nächsten Tag ans Werk und begannen mit der tatsächlichen Renovierung unserer Villa Kunterbunt.
    Eine schauderhafte, nie enden wollende Geräuschkulisse aus Hämmern, Bohren, Scheppern, Klappern, Krachen und Knallen umgab mich von nun an, was nicht gerade bewirkte, da ß meine Depressionen halblang machten. Ganz im Gegenteil. Obwohl Gustav den riesigen, alten Ghettoblaster ins Schlafzimmer stellte, in dem ich mich die meiste Zeit aufhielt und schwermütig vor mich hindöste, und er meine Lieblingsmusik, Die Auferstehungssymphonie von Mahler, laufen ließ, wollte es mir einfach nicht gelingen, diesem dumpfen Trauerzustand zu entfliehen.
    Nur ein einziges Mal war ich noch auf die Terrasse hinausgegangen, um mir auch prompt wieder eine saudämliche Episode einzuhandeln. Ein ziemlich betagtes Modell von einem Klappergerüst streunte auf der Gartenmauer herum und beobachtete mit seinen trüben Augen die um die Zweige des hohen Baumes schwirrenden Vög e lein, die zu fangen er nicht mehr in der Lage war. Er war tatsächlich vollkommen ergraut und besaß in seinem Gesicht diesen ha ß erfüllten Ausdruck, den fast alle Alten abbekommen, wenn ihnen aufgeht, da ß die Lebensuhr für sie endgültig abgelaufen ist. Ein Ausdruck, der von purem Neid zeugt. Neid auf die Jungen, auf die Jugend, auf alles, was man einmal war und nie mehr sein wird. Ob ich eines Tages auch so sein würde, fragte ich mich, was trefflich zu meiner depressiven Stimmung pa ß te. Schwach riechen, schwach sehen, schwach hören, schwache Erinnerungen an starke Liebesabenteuer pflegen? Oh, wie traurig das Leben doch war! Man wurde geboren, besuchte ein paar langweilige Cocktailpartys und hustete dann auch schon den letzten Odem aus.
    Doch Opalein auf der Gartenmauer wollte mich wohl eines Besseren belehren. Sobald seine vergreisten Augen meine Wenigkeit erblickt hatten, ließ er ein Mordsgezeter vom Stapel, als wäre man ihm auf den Schwanz gehüpft. Sein ganzes Ich schien sich plötzlich mit einer Art göttlicher Energie aufzuladen. Er war geradezu elektrisiert, elektrisiert von noch mehr Hass und Feindseligkeit.
    »Das hier ist mein verdammtes Revier!« eröffnete der Tattergreis. »Hörst du das, du Knülch! Mein Revier! Mein Revier! Mein Revier! ...« und immer so fort, als sei er eine sprechende Puppe, die durchgedreht ist. Dann plusterte er sich unheimlich auf und rannte auf mich zu.
    Bevor ich es auf eine Konfrontation ankommen ließ, sprang ich von der Terrasse direkt auf die Fensterbank. Er machte mitten auf der Terrasse halt und genoss seinen Triumph.
    Dennoch: »Mein Revier! Mein Revier! ...« plapperte der Papagei in einer Tour weiter.
    Was mich anging, hatte ich von dieser Gegend die Schnauze endgültig gestrichen voll.
    »Steck dir dein Revier dahin, wo sich bald die Würmer amüsieren werden!« empfahl ich mich und spazierte durch das Klo wieder in die Wohnung zurück. Es wäre für mich ein Witz gewesen, diesem alten Trottel seine wohlverdiente Tracht Prügel zu erteilen. Aber wozu? Was hätte das für einen Sinn ergeben? Die Welt war ein Jammertal, und jeder, der sich gegen diese Einsicht aufbäumte und um solche Bedeutungslosigkeiten wie um ein Revier kümmerte, war ein trauriger Clown.
    Was blieb mir in dieser feindseligen und hä ß lichen Umwelt anderes übrig, als mich abermals in das mausoleumartige Schlafzimmer zu verkriechen und unter den schmerzlindernden Klängen des göttlichen Mahlers weiterzudösen ...
    ... und zu träumen.
    Ich hatte einen bizarren, um nicht zu sagen beängstigenden Traum. Darin lustwandelte ich gemächlich durch unsere neue Heimstätte, welche - o Wunder über Wunder - von Gustav und Archie fertig renoviert worden war. Doch das Resümee ihrer Arbeit war mehr als kurios geraten. Sämtliche Wände der Wohnung waren wie in einem Bestattungsunternehmen mit pechschwarzen Samtvorhängen verhüllt und mit trüben Wandleuchten behangen, die die Räume, anstatt sie zu erhellen, noch finsterer wirken ließen. Auch die Möbel, die ausnahmslos aus der Zeit irgendeines ollen französischen Königs zu stammen schienen, waren entweder schwarz
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