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Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass

Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass

Titel: Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass
Autoren: Juergen Todenhoefer
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wieder tatenlos zusehen dürfen, wenn Menschen unterdrückt, entrechtet und gedemütigt werden. Das macht die Stellungnahme Stephan Kramers zu Thilo Sarrazin so wertvoll.
    Wir hätten uns im Übrigen für die Juden schon damals einsetzen müssen, als sie noch schwach waren, und nicht erst heute, da sie stark und einflussreich sind. Verspäteter Mut ist der opportunistische Bruder der Feigheit. Es ist schon ein bizarres Schauspiel, wie manche westliche Politiker von Jahr zu Jahr entschlossener und mutiger gegen das Unrecht von vorgestern »kämpfen«, während sie zum Unrecht von heute wieder einmal schweigen.
    Die Herausforderung unserer Zeit heißt mitzuhelfen, die offenen Wunden im Mittleren Osten zu schließen. Durch klare Sicherheitsgarantien für Israel, zu denen Europa einen zuverlässigen Beitrag leisten sollte, aber auch durch Hilfen beim Aufbau eines lebensfähigen palästinensischen Staates. Wir müssen Brücken bauen, keine Mauern.
    Ein vom Westen geförderter palästinensischer Modellstaat, der das Existenzrecht Israels in gerechten Grenzen anerkennt und sich jeder Form von Terrorismus entgegenstellt, wäre nicht nur ein Neubeginn für den Mittleren Osten, sondern auch für das Verhältnis der westlichen Welt zur muslimischen Welt.
    So wie bisher können wir nicht weitermachen. Die »Antiterrorkriege« gegen die muslimischen Länder Afghanistan und Irak haben die USA bis Anfang 2011 1,2 Billionen US-Dollar gekostet. Joseph Stiglitz, ehemaliger Chefökonom der Weltbank und Nobelpreisträger für Ökonomie, geht davon aus, dass diese Kriege die USA am Ende mindestens drei Billionen US-Dollar kosten werden.
    Allein 2010 gaben die USA für den Krieg in Afghanistan 100 Milliarden Dollar aus, aber nur 5 Milliarden für den Wiederaufbau des Landes. Muss man angesichts dieser Zahlen wirklich ernsthaft fragen, wie eine erfolgreiche Alternative zur augenblicklichen »Antiterror-Politik« aussehen könnte? Mit einer Million US-Dollar, die ein amerikanischer Soldat in Afghanistan jährlich kostet, könnte man in Afghanistan und in Pakistan jedes Jahr zwanzig kleine Dorfschulen bauen – oder drei mittelgroße Schulen mit über 16 Klassenzimmern. Das ist die Alternative.
    Wir sollten die muslimische Welt genauso fair und großzügig behandeln, wie wir zu Recht Israel behandeln. Wir sollten dem »muslimischen Terrorismus« endlich die Argumente entziehen.
9. Die Muslime müssen sich wie ihr Prophet Mohammed für einen Islam des Fortschritts und der Toleranz einsetzen. Sie müssen dem »muslimischen Terrorismus« die religiöse Maske vom Gesicht reißen.
    Nicht nur der Westen, auch die muslimische Welt muss ihr Verhalten ändern. Gerade gemäßigte Muslime müssen – unter Wahrung ihrer religiösen Identität – mutig für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit eintreten. Für eine Staats- und Wirtschaftsordnung, die die Talente der Menschen entfesselt, statt sie zu lähmen. Für die völlige Gleichberechtigung von Mann und Frau. Für wirkliche Religionsfreiheit auch für Juden und Christen – für einen Islam der Toleranz und des Fortschritts. Die Volksaufstände in der arabischen Welt mit ihrem Schrei nach Freiheit, Würde und Gerechtigkeit weisen in die richtige Richtung.
    Die gemäßigte Mehrheit der Muslime muss die faszinierende Botschaft ihres Propheten Mohammed in die Neuzeit übersetzen und die gesellschaftlichen Reformen fortführen, die dieser unter Einsatz seines Lebens begonnen hatte. Sie muss den vorislamischen Ballast abwerfen, der die Renaissance der muslimischen Zivilisation behindert. Sie muss eine Bildungselite schaffen, die die muslimische Welt erfolgreich ins dritte Jahrtausend führt. Mohammed, Marktwirtschaft und Moderne passen sehr wohl zusammen.
    Anders als manche muslimische Politiker unserer Tage war Mohammed kein Reaktionär. Er war ein kühner, nach vorne blickender egalitärer Revolutionär, der den Mut hatte, die Fesseln der Tradition zu sprengen. Sein Islam war keine Religion des Stillstands oder des Rückschritts, sondern der Erneuerung und des Aufbruchs. Wenigstens etwas von der Dynamik dieses großen Reformators würde der oft in Fatalismus und Selbstmitleid versunkenen muslimischen Welt gut tun.
    Mohammed kämpfte mit Leidenschaft für soziale Veränderungen. Er trat für die Armen und Schwachen ein und – zum Ärger vieler seiner männlichen Anhänger – für eine massive Stärkung der Rechte der Frauen, die in vorislamischer Zeit in fast allen Kulturen nahezu rechtlos waren.
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