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Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass

Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass

Titel: Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass
Autoren: Juergen Todenhoefer
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über zwei Millionen Algerier. Selbst französische Schätzungen gehen von über einer Million getöteten Algeriern und hunderttausend getöteten Franzosen aus.
    Den von Großbritannien kolonialisierten Irakern erging es nicht wesentlich besser. Winston Churchill warf ihnen 1920 wegen ihres Aufstands gegen die britische Unterdrückung »Undankbarkeit« vor. Er setzte chemische Waffen ein – »mit ausgezeichneter moralischer Wirkung«, wie er anmerkte. »Bomber Harris«, der geistige Vater des »moral bombing«, der damit im Zweiten Weltkrieg Weltruhm erlangte, erklärte nach einem Luftangriff stolz: »Die Araber und Kurden wissen jetzt, was eine richtige Bombardierung ist. In 45 Minuten fegen wir ein ganzes Dorf weg.«
    Bombenangriffe galten auch als effektive Methode zum Eintreiben von Steuern. Der Royal-Air-Force-Offizier Lionel Charlton quittierte 1924 erschüttert seinen Dienst, nachdem er in einem Krankenhaus die verstümmelten Opfer gesehen hatte. Er ahnte nicht, dass sein Land achtzig Jahre später den Irak erneut bombardieren würde.
    In Libyen warfen die damaligen italienischen Kolonialisten Fässer mit Phosgen und Senfgas auf Aufständische und Zivilbevölkerung. Stammesführer wurden in Flugzeuge gepackt und aus schwindelnder Höhe abgeworfen. Über hunderttausend Zivilisten wurden in Wüstenlager deportiert, die Hälfte ging kläglich zugrunde. Libysche Mädchen wurden für die Kolonialtruppen als Sexsklavinnen gehalten. Die Spanier setzten während der Kabylenaufstände in Marokko ebenfalls chemische Waffen ein. Die Folgen waren auch hier grauenvoll.
    Als Vorbild für die Behandlung der Araber galt die erfolgreiche Ausrottungsstrategie der Europäer gegenüber den Indianern Amerikas. Der rassistisch-zivilisatorische Überlegenheitswahn jener Zeit kannte keine Grenzen. Gustave Le Bon, genialer Begründer der Massenpsychologie, leider aber auch unerbittlicher Kämpfer gegen den »Gleichheits-Aberglauben«, teilte die Menschen in vier Klassen ein: Die australische und amerikanische Urbevölkerung galten als »primitive Rasse«, die »Neger« als »niedere«, die Chinesen und Araber immerhin als »mittlere«, die Indoeuropäer aber als »höhere Rasse«.
    Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Westen die Araber oft als Untermenschen »auf der Stufe eines höheren Affen« behandelt (Jean-Paul Sartre). Dies gilt für die Entkolonialisierungskriege, für die häufigen Interventionen zur Sicherung der Rohstofftransportwege, für die Palästinafrage genauso wie für die von den USA und Großbritannien erzwungenen Iraksanktionen. Allein durch diese laut Vatikan »perversen« Strafmaßnahmen starben nach UNICEF-Angaben schon vor dem letzten Irakkrieg über 1,5 Millionen irakische Zivilisten, darunter rund 500 000 Kinder. Laut Madeleine Albright, der damaligen UN-Botschafterin der USA, war die Eindämmung Saddam Husseins den Tod einer halben Million Kinder wert (»we think the price is worth it«).
    Auch der 2003 vom Zaun gebrochene Irakkrieg zeigte eine atemberaubende Missachtung der muslimischen Welt. Schon beim Einmarsch der US-geführten Truppen wurden Tausende Zivilisten getötet. Unzählige wurden – zum Teil durch uranverseuchte Munition – zu Krüppeln gebombt.
    »Iraq Body Count« geht bis Ende 2009 von ca. 100 000 getöteten Irakern aus. Die Organisation nimmt allerdings nur Todesfälle auf, über die in zwei englischsprachigen Medien berichtet wurde. Die Familien irakischer Widerstandskämpfer haben jedoch in der Regel kein Interesse daran, dass bekannt wird, dass ihre Söhne im Kampf gegen die irakische Regierung oder gegen die US-Besatzungstruppen gefallen sind. Dies würde die gesamte Familie gefährden.
    WikiLeaks berichtet von 109 000 Toten. Doch WikiLeaks standen nur amerikanische Dokumente zur Verfügung, die – aus welchen Gründen auch immer – größere Militäraktionen der USA wie die Schlachten um Falludscha nicht enthalten. Auch das blutige erste Kriegsjahr 2003 fehlt in dem von WikiLeaks veröffentlichten Material.
    So erstaunt es nicht, dass eine in der angesehenen medizinischen Fachzeitschrift »Lancet« veröffentlichte Studie unabhängiger amerikanischer und irakischer Ärzte zu dem Ergebnis kommt, dass allein bis Juni 2006 über 600 000 Iraker auf gewaltsame Weise im Kriegschaos ihr Leben verloren haben.
    Eine vom US-Kongress beauftragte und vom amerikanischen Ex-Außenminister James A. Baker geleitete Untersuchung räumte im Dezember 2006 selbstkritisch ein: Bezüglich der Gewalt
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