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Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass

Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass

Titel: Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass
Autoren: Juergen Todenhoefer
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Terroristen für die muslimische Welt nicht repräsentativ. So wie die RAF und linke oder rechte Autonome für Deutschland nie typisch waren oder sind. Die politische Bedeutung des »muslimischen Terrorismus« liegt darin, dass er bequeme Vorwände für die Angriffskriege des Westens liefert. Deshalb wird er systematisch und kontinuierlich zu einem titanenhaften Feind des Weltfriedens aufgeblasen.
    Die wahre muslimische Welt ist ganz anders. Die Liebenswürdigkeit, Herzlichkeit und Gastfreundschaft, die westlichen Besuchern in orientalischen Ländern von der Mehrheit der Menschen entgegengebracht wird, ist trotz all der Kriege noch immer überwältigend. Ohne Probleme kann man nicht nur in säkularen muslimischen Staaten wie in Syrien, sondern auch im theokratischen Iran religiöse Stätten besichtigen – Kirchen, Synagogen und Moscheen. Ich habe das auch 2011 immer wieder getan. Die meisten Muslime haben mehr Respekt vor Judentum und Christentum als wir selber. Nirgendwo im Westen bin ich respektvoller und herzlicher behandelt worden als in Ägypten, Libyen und Syrien – selbst in den dramatischen Tagen der Revolution. Nirgendwo bin ich mehr Nächstenliebe begegnet als in der muslimischen Welt.
    Trotz Ablehnung der US-Außenpolitik bewundern viele Muslime den Westen. Junge Muslime tragen selbst in Afghanistan, in Pakistan und im Irak mit Vorliebe (imitierte) westliche Turnschuhe, Jeans und T-Shirts. Sie wären unter Beibehaltung ihres Glaubens in vielen Dingen gerne wie wir – frei, modern und auf ihre Weise demokratisch. Für diese Freiheit und Würde kämpfen sie in ihren Revolutionen. Wie gerne würden sie Amerika lieben, wenn es dieses Amerika, einst der Hoffnungsträger der Unterdrückten der Welt, ohne seine blutige Außenpolitik gäbe.
    Das hindert einige westliche TV-Medien nicht daran, uns immer wieder selbst inszenierte Zerrbilder eines gegen den Westen randalierenden muslimischen Mobs zu präsentieren. Im September 2001 zeigten westliche TV-Sender nach den Anschlägen auf das World Trade Center jubelnde palästinensische Kinder. Doch die Bilder waren gestellt. Nach Berichten der israelischen Tageszeitung »Haaretz« hatte man den Kindern Süßigkeiten geschenkt, damit sie vor den Kameras jubelten.
    Antiwestliche Demonstrationen finden in der arabischen Welt in der Regel nur dann statt, wenn ihre »Spontaneität« in Zusammenarbeit mit westlichen Fernsehsendern präzise organisiert und in Szene gesetzt wird. Sobald die Kameras abgeschaltet sind, werden die »TV-Demonstranten« in denselben Lastwagen, in denen sie angekarrt wurden, mit einem »Bakschisch« wieder nach Hause transportiert. Ich habe das in Bagdad kurz vor Kriegsbeginn bei einer »Demonstration« gegen die USA und Israel selbst erlebt. Die angeblich spontane Kundgebung wurde von einem deutschen TV-Sender organisiert.
    Anders als bei uns gibt es in der muslimischen Welt das Phänomen »Fremdenfeindlichkeit« überhaupt nicht. Wir sind diesen Ländern zurzeit wirtschaftlich und technisch weit überlegen – aber nicht menschlich. In Sachen Nächstenliebe, Familiensinn und Gastfreundschaft könnten wir viel von den Muslimen lernen.
    Diese Herzlichkeit aber kann, wie in Afghanistan oder im Irak, in rasende Wut umschlagen, wenn der Westen die Rechte der Muslime – oder ihr Heiligstes, ihre Familie und ihre Religion – wieder einmal hohnlachend, mit Füßen tritt. Jean-Paul Sartre hat diese selbstzerstörerische Verzweiflung schon 1961 während des Freiheitskriegs der Algerier beschrieben:
    »Die zurückgehaltene Wut dreht sich im Kreis und richtet unter den Unterdrückten selbst Verheerungen an. Um sich von ihr zu befreien, schlachten sie sich untereinander ab. Die Stämme kämpfen gegeneinander, weil sie den eigentlichen Feind nicht angreifen können – und man kann sich darauf verlassen, dass die Kolonialpolitik ihre Rivalitäten schüren wird. Die Sturmflut der Gewalt reißt alle Schranken nieder. Das ist der Moment des Bumerangs. Die Gewalt schlägt auf uns zurück, und wir verstehen so wenig wie früher, dass es unsere eigene Gewalt ist.«
    Klingt das nicht wie eine aktuelle Beschreibung der Lage in Afghanistan oder im Irak? Auch dort ist es unsere eigene Gewalt, die als Terrorismus wie ein Bumerang auf uns zurückschlägt. Die »Koalition der Willigen« hat den Afghanen und den Irakern alles genommen, was ihnen die Chance gegeben hätte, sich so »edel, hilfreich und gut« zu verhalten, wie wir uns selbst gerne sehen. Sie hat ihre
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