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Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass

Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass

Titel: Feindbild Islam - Thesen gegen den Hass
Autoren: Juergen Todenhoefer
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öffentlichen Bewusstsein des Westens spielen all diese nicht-muslimischen Terrororganisationen keine Rolle. Weil sie keine Gefahr für die zentralen westlichen Interessen darstellen.
    Nach Angaben der europäischen Polizeibehörde »Europol« gab es 2010 in den Ländern der Europäischen Union 249 Terroranschläge. Davon gingen lediglich drei auf »islamistische« Attentäter zurück. Nicht 200, nicht 240 – drei! Die meisten Terroranschläge (160) wurden von militanten Unabhängigkeitsbewegungen verübt – wie zum Beispiel der baskischen Untergrundorganisation ETA.
    All das hindert führende westliche Politiker nicht daran, weiter ihren terroristischen Lieblingssatz hinauszuposaunen, »alle Terroristen seien Muslime.« Was ist der Grund für diese einseitige Darstellung des internationalen Terrorismus? Braucht der Westen derartige Übertreibungen und Verzerrungen zur Begründung seiner offensiven Politik im Mittleren Osten – nachdem Colin Powell in den 90er-Jahren beunruhigt festgestellt hatte, den USA gingen langsam »die Monster« aus?
    Im erdölreichen Mittleren Osten waren nach dem offiziellen Ende der Kolonialzeit an die Stelle der Kolonialmächte häufig finanziell und militärisch abhängige Marionettenregierungen getreten, Schachfiguren im geopolitischen Spiel der westlichen Großmächte. Wer nicht mitspielte, wurde belehrt, dass es ein Selbstbestimmungsrecht der Völker nur dort gibt, wo dies westlichen Interessen nicht widerspricht.
    Freiheit hieß nie Freiheit von uns. Man kann dies in Erinnerung an den 1951 demokratisch gewählten und zwei Jahre später von der CIA und den Briten gestürzten iranischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh das »Mossadegh’sche Gesetz« nennen. Wer diesem Gesetz zuwiderhandelt, wird meist sehr schnell im Rahmen einer intensiven Medienkampagne zum »Schurken« umtituliert, weggeputscht oder weggebombt. Die mediale Produktion und anschließende Beseitigung von Bösewichten ist eine Spezialität westlicher Außenpolitik.
    Wie das Beispiel Gaddafi zeigt, kann die Ernennung zum »Schurken« nicht nur jederzeit rückgängig, sondern auch blitzschnell wieder reaktiviert werden. Schurke ist, wer das Spiel des Westens nicht mitspielt. Autokratische Führer, Diktatoren und Monarchen hingegen, die auf der Seite des Westens stehen, dürfen nach Herzenslust foltern, unterdrücken und sich grenzenlos bereichern. Der Ägypter Hosni Mubarak und der Tunesier Ben Ali waren jahrzehntelang nur zwei Beispiele von vielen. Bis das Volk sie davonjagte.
    Selbst der vom »Partner« zum »Schurken« umbenannte Saddam Hussein könnte noch heute ungehindert schalten und walten, wenn er Partner der USA geblieben wäre. Das Massaker von Dujail, das 148 Menschen das Leben kostete und für das er 2006 hingerichtet wurde, fand 1982 statt. Saddam war damals für die USA einer der wichtigsten Akteure im Mittleren Osten und führte mit westlicher Unterstützung Krieg gegen den Iran Khomeinis.
    Donald Rumsfeld besuchte Saddam 1983 – ein Jahr nach dem Massaker – als Sonderbeauftragter des US-Präsidenten, obwohl er über Dujail genau informiert war. Saddam war schließlich unser antiislamistischer Kampfgenosse, den Deutschland mit Komponenten für chemische Waffen, Frankreich mit Kampfflugzeugen und die USA mit Satellitendaten über iranische Stellungen versorgten.
    Dem Westen – wie auch anderen Machtblöcken – ging es im Mittleren Osten nie um Menschenrechte und Demokratie. Er kämpfte und kämpft immer nur um seine Interessen – zum Beispiel um Öl. Wenn auf der anderen Seite »Schurken« und »Terroristen« stehen, ist das Kriegführen erheblich leichter – vor allem an der Heimatfront.
    Die Menschen des Mittleren Ostens haben dieses Spiel seit Langem durchschaut. Die zynische Entmenschlichung im Namen der Menschenrechte, an die die blutigen Bilder aus dem Irak, Afghanistan, Pakistan und anderen muslimischen Ländern jeden Tag erinnern, hat sich tief in das kulturelle Gedächtnis der Muslime eingebrannt. Samuel Huntington hat zumindest mit einer Aussage recht: »Der Westen hat die Welt nicht durch die Überlegenheit seiner Werte erobert, sondern durch seine Überlegenheit beim Anwenden von Gewalt. Westler vergessen diese Tatsache oft, Nicht-Westler nie.«
    Ist es da wirklich erstaunlich, dass einige Menschen irgendwann zurückschlagen, wenn ihre Familien wieder und wieder von unseren Vernichtungsmaschinen niedergewalzt werden? Niemand kommt als Terrorist auf die Welt.
    Und doch sind diese
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