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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss
Autoren: Anna Geller
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gelangweilt tat, obwohl es doch um seinen Hals ging. Und dann der Alte
selbst. Laut, manchmal ungehobelt, manchmal charmant, oft unverschämt.
    Zum Glück blieb es Chris heute Abend erspart, beim Kaffee eine dicke
Havanna mit Eickboom rauchen zu müssen, von der ihm jedes Mal schlecht wurde.
Vielleicht hatte der Alte ja endlich eingesehen, dass Chris seine Leidenschaft
für Zigarren nicht teilte.
    Vor fünf Jahren hatte der Aufsichtsratsvorsitzende und Hauptaktionär
der „Felting & Grube Gummi- und Walzenwerke AG“ in einem Anfall von Panik
Fahrerflucht begangen. Fahrerflucht deshalb, weil er mit seiner Geliebten im
Auto saß statt mit seiner Frau. Wieso er sich dann von den damals sechstausend
niedergelassenen Rechtsanwälten im Bezirk Köln ausgerechnet Chris herausgepickt
hatte, war ihm immer noch schleierhaft. Ein Jahr zuvor hatte er sich gerade
selbstständig gemacht und außer zwei kahlen Büroräumen (so vermessen, „Kanzlei“
zu sagen, war er bis heute nicht) im zweiten Stock eines Altbaus in der Innenstadt
und einer einzigen Anwaltsgehilfin nicht viel vorzuweisen.
    Wie auch immer: Er sollte die Verteidigung von Eickboom übernehmen und
sah sich plötzlich einem Mann gegenüber, der regelrecht um sein Honorar
pokerte. Nicht weil er geizig war. Im Gegenteil! Spielen, verhandeln, die
Reaktionen seiner „Gegner“ auf geschickte Schachzüge waren seine Leidenschaft,
wie er Chris gestand. Geld spielte dabei keine Rolle.
    Er bot ihm ein Schwindel erregend hohes Honorar. Allerdings nur, wenn
er mit einer relativ geringen Geldstrafe davonkommen sollte. Eine höhere
Verurteilung, eine Bewährungsstrafe gar, hätte Chris nur ein „Butterbrot“
eingebracht.
    Und damit fingen seine Probleme an. Die Honorare von Anwälten
unterlagen der sogenannten „Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung“, kurz BRAGO.
Ohne weiteres hätte Chris ein höheres Entgelt vereinbaren können, als dort
vorgesehen war. Was jedoch als absolut standeswidrig galt, war ein
„Erfolgshonorar“.
    Er erklärte Eickboom sein Problem.
    Der Alte war enttäuscht.
    Chris versuchte, sein Angebot auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren —
egal wie der Prozess ausging.
    Eickboom sagte schlicht und ergreifend „Nein“.
    Und dann hatte Chris die rettende Idee. Er schlug ihm ein festes
Honorar für sich selbst vor und bei zufriedenstellendem Ausgang eine Spende zu
Gunsten eines Projekts, das sich um drogenabhängige Prostituierte kümmerte.
Eickboom lachte schallend, nickte und begann, um die Höhe der Spende zu
feilschen. Ein Geplänkel, an dem auch Chris seinen Spaß fand. Die Geldstrafe
fiel gering aus, und Eickboom überwies die Spende tatsächlich.
    Danach hatte Eickboom ihn immer wieder in Anspruch genommen. Nicht als
offiziellen Firmenanwalt für „Felting & Grube“, sondern für seine
vielfältigen privaten Geschäfte. Chris handelte Verträge für ihn aus, klagte
zahlungsunfähige Mieter aus seinen Eigentumswohnungen und kümmerte sich um
diverse Ordnungsstrafen, weil der Alte zu schnell gefahren war oder irgendwo
falsch geparkt hatte. Und jedes Mal spielten sie sein Spiel. Erst das Feilschen
ums Honorar, dann die Spende. Zwei oder drei Mal hatten sie sogar im Büro von
Chris mehrere Runden Poker gespielt — als Einsatz die jeweilige Spende, die
Chris im Auge hatte.
    Er hielt Eickboom für ein wenig verrückt, aber wenn dessen Glück davon
abhing und er ihn so als Mandanten halten konnte, warum nicht? Seine Honorare
waren mehr als üppig, und im Laufe der Jahre kamen verschiedene soziale
Einrichtungen zu unvorhergesehenen Spendengeldern.
    Soweit konnte er gut mit Eickboom leben. Dass er andererseits ein
Arrogantling erster Güte war, der mit seinem Geld protzte und Chris ständig zu
verstehen gab, was für ein kleiner Wicht er doch war, ließ ihm in unschöner
Regelmäßigkeit die Galle hockkommen.
    Heute Abend war es auch nicht anders. Und als Chris gegen elf Uhr den
Heimweg antrat, war er genervt von der Art des Alten, vom Smalltalk und von
seinem Hühnerauge. Außerdem hatte es auch noch angefangen zu regnen. Nein — es
schüttete aus Kübeln.
    „Verdammter Mistkerl!“, schnaubte Chris und schlug mit der flachen
Hand auf das Lenkrad. Irgendwann würde er sicher mal die Beherrschung verlieren
und dem feisten Sack ins Gesicht sagen, was er wirklich von ihm hielt. Aber zum
Teufel! Er brauchte Eickboom. Missmutig zündete er sich eine Zigarette an und
blies den Rauch heftig gegen die Windschutzscheibe. Wenn er weiter für die
Mädels
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