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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss
Autoren: Anna Geller
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es ein dunkler Wagen mit tief heruntergezogenem Heck war, der
mit durchdrehenden Reifen an ihm vorbeibrauste.

Zwei
     
    Er hatte
sich eindeutig zu warm angezogen. Auf der verglasten Terrasse des kleinen Cafés
direkt am Stadtwald herrschten Treibhaustemperaturen, und Christian Sprenger
schwitzte wie ein Bär. Während er die Ärmel seines Sweatshirts hochschob, sah
er den Hunden zu, die auf der Wiese vor ihnen balgten. Die Frauchen und
Herrchen standen am Wegesrand und hielten einen Plausch. Wahrscheinlich redeten
sie übers Wetter. Alle redeten heute davon, weil es der erste sonnige Tag war,
den dieser Mai nach zwei Wochen Dauerregen zu bieten hatte.
    Doch er und sein Gegenüber redeten nicht mal übers Wetter. Sie
schwiegen schon eine ganze Weile — wie so oft in letzter Zeit. Vor allem, wenn
Anne wieder auf ihrem Lieblingsthema „Das brachliegende Liebesleben des
Christian Sprenger“ herumgeritten war, zog eben jener Christian Sprenger sich
in unwilliges Schweigen zurück. Es ging Anne einen Scheißdreck an! Außerdem
wurde er den Verdacht nicht los, dass sie eigentlich nur hören wollte, wie sehr
er immer noch litt. Aber er litt nicht mehr — im Gegenteil! Er fühlte sich
wohl, genoss es, abends nach Hause zu kommen und zu tun, wonach ihm gerade war.
Die Musik zu hören, die er hören wollte, ein Buch zu lesen, nicht reden zu müssen.
Und er dachte im Traum nicht daran, seine Unabhängigkeit wieder aufzugeben.
Schon gar nicht, wenn die herrschsüchtige Anne Bovolet meinte, er müsse an
seiner „Einsamkeit“ etwas ändern. Christian Sprenger hatte nicht vor, sein
Single-Dasein aufzugeben. Er war auch nicht bereit, sein Alleinsein als „Makel“
zu betrachten. Vor allem musste er nicht mehr tun, wonach Anne der Sinn stand,
und das war verdammt gut so!
    „Mal im Ernst, Chris“, nahm Anne das Gespräch plötzlich wieder auf,
„du solltest aufhören, deine Wunden zu lecken. Immerhin ist es schon zwei Jahre
her.“
    Sein Blick verlor sich am Nebentisch, glitt weiter zu den Hunden, die
jetzt einer Amsel hinterherjagten, bis sie kreischend aufflog. Ja, ziemlich
genau vor zwei Jahren hatte Anne ihm eröffnet, sie habe einen neuen Geliebten,
und sie und Chris müssten ihre Beziehung beenden. Einfach so.
    Acht Jahre Himmel und Hölle, Feuer und Eis, prickelnder Champagner und
schales Bier. Ohne viel Aufsehen vorbei. Aber weder kippte der Eiffelturm um,
noch bröselte vom Kölner Dom mehr Sandstein als gewöhnlich. Und auch der Mond
fiel nicht vom Himmel. Keine größere Katastrophe also. Nichts, was in den
Nachrichten Erwähnung gefunden hätte. Ein ganzer Planet brach in Stücke und
niemanden kümmerte es.
    Schnell rief er sich zur Ordnung. Nein, so stimmte das nicht. Es war
eigentlich schon lange vorbei gewesen. All die Jahre zu viel schales Bier, das
einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen hatte. Geblieben war schließlich
gekränkte Eitelkeit. Anne hatte ihn verlassen ! Dabei hatte sie wohl daseinzig Richtige getan: den Schlussstrich unter eine Beziehung gezogen, die
schon längst keine mehr war.
    Seltsamerweise war es ihnen gelungen, sich eine Art Freundschaft zu
bewahren. Bisher jedenfalls. Aber je mehr Chris bewies, dass er ohne seine
ehemalige Lebensgefährtin existieren konnte, desto unausstehlicher wurde Anne.
Sie hatte noch nie ertragen können, dass jemand in der Lage war, unabhängig von
ihr zu sein. Dass es Menschen gab, die ohne ihre Kommentare, Ratschläge und
Hilfestellungen durchs Leben kamen, ging in ihren Schädel einfach nicht rein.
    „Übers Wunden lecken bin ich hinaus“, erwiderte Chris, „und nun lass
es gut sein, ja?“ Er hatte keine Lust, sich zu streiten und schluckte seine
plötzliche Aggression herunter.
    Aber Anne dachte gar nicht daran, von ihrem derzeitigen Lieblingsthema
abzulassen. „Dass ich nicht lache!“, fauchte sie. „Und wieso guckst du dann
keine andere Frau auch nur an?“ Ihre dichten dunklen Augenbrauen, die einen
seltsamen Kontrast zu dem kupferroten Haar bildeten, zogen sich unwirsch
zusammen.
    „Mir ist eben noch kein interessantes Modell begegnet!“ Chris fegte
mit der Hand einige Kuchenkrümel vom Tisch. Ein paar davon verfingen sich in
den Falten seiner dunkelblauen Flanellhose. Er stand kurz vor der Explosion und
beschloss, diesem leidigen Gespräch ein „natürliches“ Ende zu setzen. „Wollen
wir gehen? — Ich hab um sechs noch einen Termin.“
    Auf dem kurzen Weg zum Parkplatz wurden sie von einer Gruppe
keuchender, rotgesichtiger Jogger
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