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Feenland

Feenland

Titel: Feenland
Autoren: Paul J. McAuley
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wilden
Pulsschlägen des Technoraga-Beats zucken. Der Schuppen
heißt nicht umsonst Ground Zero.
    Alex unterhält sich mit Ray in der Misch-Kabine hoch
über der Tanzfläche, wo drei Tech-Jockeys die Musik und die
Scheinwerfer und die Spezialeffekte in hektischem Trab halten. Ray
ist ein gereifter Fünfziger mit mäßigem IQ und einem
so geringen Serotoninspiegel, daß ihn nichts aus der Fassung
bringen kann, aber er arbeitet schon eine Ewigkeit in der Clubszene
und weiß sich zu behaupten, wenn es eng wird. Er ist
außerdem ein guter Kunde von Alex, noch aus der Zeit vor der
großen Razzia gegen den Zauberer und seine Lehrlinge. Alex war
einer der ersten Genhacker, die den Serenity-Code knackten,
und das von ihm selbst entwickelte psychoaktive RNS-Virus – das
abwechselnd unter den Bezeichnungen Ghost, Fade oder Firelight läuft – ist bei den Technos sehr beliebt,
weil es den Flacker-Effekt von TV- und Holosystemen verstärkt
und den Eindruck erweckt, das elektronische Geflimmer enthalte
verschlüsselte Botschaften oder die vagen Umrisse von Geistern.
Wer in den Club kommt, steht auf geballte Informationsdichte und das
Gefühl, in eine andere Dimension getragen zu werden – und Ghost bringt die Freaks auf den Weg dorthin. Wäre Alex in
der Lage gewesen, seine Erfindung patentieren zu lassen, hätte
er wohl ein Vermögen gemacht, aber als Genhacker kann er dieses
Risiko natürlich nicht eingehen. Und dank Perse oder Billy Rock
ist seine Chance, noch vor dem Verbot psychoaktiver Viren in
Großbritannien mit einer neuen Version von Ghost auf dem
internationalen Markt zu landen, vor wenigen Stunden den Bach
hinuntergeschwommen.
    Der Deal mit Ray nimmt eine Weile in Anspruch. Er muß auf
Befindlichkeiten Rücksicht nehmen und Rituale beachten, die fast
so kompliziert wie die japanische Teezeremonie sind. Es ist zu
spät, um auch nur an Schlaf zu denken, als Alex in sein Labor
zurückkehrt und die Nachricht von Billy Rocks Expertensystem
vorfindet. Sie besagt, daß ihn morgen vormittag um zehn Uhr
eine Limousine abholen wird. Offenbar hatte Billy Rock damit
gerechnet, daß Alex Kontakt zu ihm aufnehmen würde. Er
will ihn persönlich sprechen.
    Getrieben von Amphetaminen und Paranoia, ruft er Alice an, seine
Favoritin unter Ma Nakomes Teilzeit-Nutten, die verschlafene,
pummelige Alice, die ihm gekonnt zur Entspannung verhilft und bis zum
Frühstück bei ihm bleibt. Er mag Alice – obwohl ihre
Beziehung rein geschäftlich ist, geben sich beide den Anschein
einer intimen Vertrautheit.
    Während er auf die Ankunft der Limousine wartet, erwischt
Alex eine Wiederholung der BBC-Morgennachrichten und schaltet
zwischen den drei Kabel-Kanälen der Metropole hin und her, aber
keiner der Sender bringt etwas über die Verhaftung eines
indonesischen Diplomaten in King’s Cross. Nicht daß er
sich großen Illusionen hingegeben hätte. Anstatt die
Ladung HyperGhost in Paris abzuliefern, befindet sich der Typ
jetzt sicher in einer Stratomaschine mit Kurs auf Djakarta –
eine glücklose Randfigur in dem Spiel, Alex Sharkey das
Geschäft zu vermasseln.
    Alex ist zu rastlos, um stillzusitzen. Er bereut inzwischen,
daß er Billy Rock angerufen hat, aber daran läßt
sich nichts mehr ändern. Also tritt er hinaus in das grelle,
heiße Sonnenlicht und plaudert bis zur Ankunft der Limousine
mit dem alten Frank, der bereits auf seinem Drehstuhl vor dem Laden
mit den Secondhand-Büromöbeln Platz genommen hat.
    Billy Rocks Botenjunge ist dieser etwa sechzehnjährige
Schwarze. Er hat einen kahlrasierten Schädel, ein weißes
T-Shirt, weite Bluejeans mit transparenten Einsätzen an den
Schenkeln, ladenneue Turnschuhe und schlechte Manieren. Alex ist dem
Burschen schon ein paarmal begegnet: Er nennt sich Doggy Dog, nach
irgendeinem toten Rap-Sänger, und ist ein drahtiger kleiner
Mistköter, der in den tiefblauen Büffelleder-Sitzen
lümmelt, als gehörte der Schlitten ihm, obwohl seine Nikes
nicht mal den hübschen blauen Teppichboden berühren. In den
Sohlen seiner Schleicher sind LEDs eingebaut, kleine rote Pulse, die
einander im Kreis jagen. Der Bursche merkt, daß Alex das
Lichterspiel anstarrt, und grinst. In einem seiner Vorderzähne
funkelt ein Brilli.
    Die Limousine gleitet los. Alex zieht eine Zigarette aus der
Tasche und zündet sie an, ohne um Erlaubnis zu fragen.
    »Du holst dir bloß Krebs«, sagt der Bursche und
streift Alex mit einem verächtlichen Blick aus verhüllten
Augen. Was er sieht, ist ein fetter Typ mit angehender
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