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Feenland

Feenland

Titel: Feenland
Autoren: Paul J. McAuley
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Glatze, blauer
Latzhose über einem verknitterten, an den Ellbogen
durchgescheuerten dunkelroten Pullover und abgeschabten orangegelben
Bauarbeiter-Stiefeln.
    Alex bläst eine Rauchkaskade aus und erwidert den Blick des
Jungen. »Vielleicht nehme ich dich mit ins Grab.«
    »Keine Chance, Mann. Ich bin geimpft.«
    »Seit wann hat Billy Rock ein Vorsorge-Programm für
seine Stricher?«
    »Stricher, daß ich nicht lache! Das war mal, Mann! Du
hast echt null Ahnung, sonst würdest du ganz anders mit mir
reden.«
    Der Schlitten biegt in die East India Road ein. Alex sinkt in den
weichen Sitz zurück, raucht seine Zigarette und beobachtet, wie
sich die Sonne in der Wolkenkratzer-Formation der Docklands
fängt. Die getönten Scheiben der Limousine lassen alles in
einem gedämpften Blau erscheinen. Alex hat vergangene Nacht kein
Auge zugetan. Sein Motor läuft auf Kaffee und Amphetaminen, und
er spürt ein unheimliches, irgendwie überreiztes High. Am
liebsten würde er Doggy Dog fragen, wie es ihm Billy Rock
besorgt – oral oder rektal und ob er deshalb Doggy Dog genannt
wird –, aber der Junge lümmelt auch deshalb so cool in den
Polstern, weil im Bund seiner Jeans eine Pistole steckt.
    Der Wagen jagt durch den Rotherhithe-Tunnel, biegt an der
Norwegischen Kirche ab und erreicht eine kleine Straße, die
zwischen hohen Lagerhäusern eingezwängt in der Nähe
des Canada Dock liegt. Er fährt erst längs und dann quer zu
einer schlammigen Baugrube, in deren Tiefe kleine gelbe Bulldozer
ackern, und hält dann im Schatten einer abgewrackten
Lagerhalle.
    Doggy Dog wartet großspurig ab, bis der Fahrer ausgestiegen
ist und die Tür öffnet. Alex muß auf die andere Seite
rutschen, um ins Freie zu gelangen, und folgt Doggy Dog in die
klebrige Hitze der Straße. Der Fahrer, ein bulliger, gelassener
Typ in einem ärmellosen T-Shirt, das die Kohlefaser-Implantate
in seinen muskulösen Oberarmen betont, schiebt sich wieder
hinter das Lenkrad und düst ab, während Doggy Dog und Alex
die Lagerhalle betreten. Alex hat das häßliche
Gefühl, daß er zur Schlachtbank geführt wird, und
vielleicht spürt das Doggy Dog, denn er packt Alex dicht
über dem Ellbogen am Arm, als wolle er ihn an der Flucht
hindern.
    Das Innere der Lagerhalle besteht aus einem einzigen hohen Saal.
An der Stirnseite beleuchten gleißend helle, auf
Gerüsttürmen montierte Bogenlampen eine kreisförmige
Arena, die durch eine Bretterbande von den schräg ansteigenden
Zuschauerrängen getrennt ist. Billy Rock sitzt am Rande der
Manege, die Stiefel auf die Brüstung des hölzernen
Schutzzauns gelegt.
    Billy Rock – er ist um die fünfundzwanzig, schmal,
drahtig und kaum größer als Doggy Dog. Er trägt einen
Rohleinen-Anzug, einen tief ins Gesicht gezogenen Panama-Hut und
einen Spazierstock, den er zwischen die Knie geklemmt hat. Dazu
weiße Handschuhe und Straußenleder-Stiefel mit hohen
Blockabsätzen. Die Jacke hängt ihm um die Schultern, und er
scheint sich förmlich darin zu verkriechen, während er in
die Arena hinunterstarrt. Sein glattes, verdrießliches Gesicht
wird von einer großen Sonnenbrille verdeckt. Alex hat den
Verdacht, daß Billys hohe Wangenknochen das Ergebnis einer
Schönheitsoperation sind, aber natürlich käme kein
Mensch auf die Idee, ihn danach zu fragen.
    Alex tritt an die Bande, um einen Blick nach unten zu werfen, und
das Ding in der Arena knurrt, macht einen Satz nach vorn und landet
hart auf dem Rücken, als das Ende der Kette seinen Schwung
jäh stoppt.
    Alex weicht erschrocken zurück, und Doggy Dog lacht,
verächtlich und eine Oktave zu hoch.
    Der Boden der Manege ist mit Sägemehl bedeckt. Im Zentrum
steht ein Eisenpfahl mit einer Kette. Das Ding am Ende der Kette hat
tiefe Rillen in das Sägemehl gepflügt, bis hinunter in den
grauen Sand. Jetzt kommt es wieder auf die Beine, sehr schnell, sehr
geschmeidig. Es ist eine Puppe, kenntlich an der blauen Hautfarbe,
aber ansonsten extrem verändert, entweder durch chirurgische
Eingriffe oder durch selektive somatische Mutation. Vermutlich
beides, denkt Alex. Es ist nackt – und weiblich, obwohl seine
Titten wenig mehr als vergrößerte Brustwarzen sind. Die
breiten, kräftigen Kiefer erinnern an dieses Zeug, das sich
manchmal an einem alten, vom Blitz gespaltenen Baumstamm bildet,
Schichten von Schwamm und Moder, die wie knorrige Krebsgeschwüre
wuchern. Die Puppe hat in Scheitelhöhe einen Muskelkamm, mit dem
sie die gewaltigen Kiefer auf- und zuschnappt, eine Nase, die
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