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Feenland

Feenland

Titel: Feenland
Autoren: Paul J. McAuley
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der
Kinder-Kreuzzug sei ein Knüller, aber das hier… Geben Sie
mir ein Interview, Alex – bitte! Die Welt muß das
erfahren.«
    »Ich bereue jetzt schon, daß ich Sie eingeweiht
habe.«
    Todd gibt nicht so schnell auf. »Es ist eine Wahnsinns-Story.
Sie sind es Ihren Mitmenschen schuldig, daß so etwas an die
Öffentlichkeit kommt. Ich kann ein Super-Honorar für Sie
aushandeln – oder Sie gehen zu einem Agenten und lassen sich von
ihm vertreten. Bis jetzt hatten Sie doch nur Unkosten,
oder?«
    »Ich bin todmüde.«
    »Dann verschieben wir das Ganze auf morgen«,
erklärt Todd. »Aber wir müssen noch einmal
darüber sprechen – unbedingt.«
    Alex dreht sich auf die andere Seite, und nach einer Weile
verschwindet Todd.
    »Schlafen Sie gut, Mister Sharkey«, sagt Mistress
Powell. »Und träumen Sie schön!«
     
    Ray beobachtet die schlafenden Menschen. Große Tiere. Sie
wälzen sich hin und her. Sie schnarchen und murmeln.
Augäpfel zucken unter den Lidern. Seine Träume sind
einfach. Träume von Dingen, von Orten. Gleichgewicht. Keine
Hektik, keine Probleme. Er wacht auf und versteht die Dinge ein wenig
besser. Die Menschen müssen immer Verbindungen herstellen. Sie
spinnen Gedankennetze, und sie verfangen sich in diesen zarten
Geweben. Ray dagegen kann die Knoten seiner Erinnerung lösen.
Wenn ihn etwas stört, dann merzt er es aus. Er fängt ganz
von vorne an.
    Viele der Feen wollen genau das tun. Einige von ihnen wollen die
Menschen töten, und deshalb bewacht Ray die Menschen. Er
hängt an Alex und insbesondere an Katrina. Er mag Katrina. Das
würde er nie aussprechen, aber es ist so. Ihren Knoten wird er
nie lösen. Er tastet danach und hält ihn fest, während
er ihr wettergegerbtes, im Schlaf entspanntes, halb in der Armbeuge
vergrabenes Gesicht betrachtet.
    Ray wispert leise auf sie ein. Er wandert durch ihre Träume,
teilt mit ihr die Stimmen in seinem Blut.
    Und später, als es Tag ist und der Aufbruch bevorsteht,
läuft Ray zu Katrina hin und sagt eindringlich: »Gib mir
deine Hände, als Beweis, daß wir Freunde sind.« Er
weiß, daß sie seinem Bitten nicht widerstehen kann.
    Sie packt ihn derb und kräftig an den Handgelenken und tut
so, als wolle sie ihn von den Beinen reißen. Ray kaschiert sein
Stolpern mit einem wilden Tanz, mitten auf dem steinigen Feld,
umgeben von der schwarzen, kalten Asche der Lagerfeuer.
    Die Kreuzfahrer sind bereits auf dem Weg zur Grenze, wo sie von
den UN-Helfern erwartet werden – keine Gläubigen mehr,
sondern verwirrte Männer und Frauen, die in ihr Leben
zurückwandern, benommen, als hätten sie jahrelang
geschlafen. Was in gewisser Weise den Tatsachen entspricht.
    »Alles wird gut«, sagt Ray zu Katrina, und dann klettert
er an ihr hoch, gibt ihr einen Kuß und rennt davon.
    »Alberner Kindskopf!« murmelt Katrina, als sie sieht,
daß Alex die Szene mit einem amüsierten, wissenden
Lächeln beobachtet. Aber dann lächelt sie ebenfalls.
    Feen laufen vor und neben ihnen her, lautlos und schnell, blaue
Gestalten, die hier und da zwischen den Bäumen am Rand der alten
Straße auftauchen. Man könnte leicht denken, daß es
sich nur um Schatten handelt. Bald achtet niemand mehr auf sie, nicht
einmal Mistress Powell.
    Alles wird gut. In der Nacht bereiteten die Assembler in Rays Blut
den Code auf, den er den Kreuzzug-Fembots entnommen hatte. Ein neues
Virus wird sich unter den Menschen verbreiten, und sie werden
vergessen. Die Feen werden nur noch in Sagen und Märchen
fortleben, in geheimen Nischen des Webs, zusammen mit anderen Mythen
und Erscheinungen. Sie werden ein ungelöstes Rätsel sein,
das gelegentlich in Träumen auftaucht, aber nie im richtigen
Leben.
    Das ist Rays Geschenk. Es ist alles, was er seinen Freunden geben
kann. Für sich selbst hat er eine Puppe mitgebracht, den ganzen
langen Weg von Paris bis hierher. Er entführte sie in den
frühen Morgenstunden nach dem Untergang des Magic Kingdom vom
Lieferantenausgang eines Fastfood-Restaurants.
    Ray hat mehr von den Menschen gelernt, als sie ahnen. Er braucht
weder Kontroll-Chips noch Hormon-Cocktails, um eine Puppe
umzuwandeln. Die Zeit der Chimären ist vorbei, der aus Sklaven
gezüchteten Ungeheuer, für immer abhängig von der
menschlichen Führung. Während die Menschen sich in ihre
Träume flüchten, werden schöne neue Geschöpfe die
Welt erobern.
    Ray hat die Puppe in einem verfallenen Bauernhaus versteckt, das
längst von der vorrückenden Wildnis vereinnahmt wurde, und
während er durch den Wald
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