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Feenland

Feenland

Titel: Feenland
Autoren: Paul J. McAuley
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gekommen!«
    Todd rennt los. Spike ruft ihm etwas nach, aber er rennt weiter,
über ausgedörrte, unkrautüberwucherte Felder, auf die
Straße und den Kinder-Kreuzzug zu.
    Die Straße, die aus dem Wald kommt, ist ein wenig
erhöht angelegt. Sanfte Böschungen fallen links und rechts
zu den Feldern hinab. Die lange Prozession hat auf halbem Wege
zwischen Wald und Stadt haltgemacht. Sie löst sich auf. Immer
mehr Menschen verlassen die Straße und wandern auf die Felder
hinaus. Sie bewegen sich mit der langsamen, starren Zielstrebigkeit
von Schlafwandlern, und in ihren weit aufgerissenen Augen
glänzen ungeweinte Tränen. Manche schlagen sich mit den
Fäusten gegen die Stirn; andere pressen die Handballen gegen die
Augen; alle lächeln entrückt und verwundert zugleich.
    Todd läuft zwischen ihnen umher, fuchtelt mit den Armen und
schreit, versucht ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Seit seiner letzten
Begegnung mit dem Kreuzzug hat sich der Zustand der Gläubigen
drastisch verschlechtert. Sie haben ihre Ausrüstung verloren
oder zurückgelassen, die Zelte, die Solar-Trikes, die Roller.
Der Nahrungs- und Schlafmangel hat sie in hohlwangige, rotäugige
Gespenster verwandelt. Ihre zerlumpten Kleider starren vor Dreck und
Staub. Ein junger Mann schleppt eine Greisin auf dem Rücken.
Andere tragen kleine Kinder auf den Armen. Manche gehen barfuß;
ihre Sohlen sind aufgerissen und hinterlassen blutige Spuren im
Unkraut.
    Todd wirbelt von einem zum anderen, aber niemand beachtet ihn. Sie
horchen auf etwas, das nur sie vernehmen, starren an ihm vorbei in
ein fernes, unsichtbares Paradies.
    Seine wunderbare Story rinnt ihm durch die Finger, zerschellt wie
ein prächtiger Luxus-Liner, der Kurs auf eine Reihe exotischer
Häfen nimmt und plötzlich gegen ein unbekanntes Riff
läuft. Als ihm ein junges Mädchen, nackt bis auf eine
gleichmäßige Staubschicht, in die Arme stolpert, hält
er sie fest, schüttelt sie und schreit ihr ins Gesicht:
»Was ist los? Sag mir, was du siehst!«
    »Feenland«, murmelt sie, immer noch halb in Trance, und
plötzlich zieht sie ihn an sich und küßt ihn auf den
Mund.
    Todd stößt sie weg, elektrisiert vor Furcht. Er spuckt
aus, einmal und noch einmal, und würgt an dem Staub, der ihm am
Gaumen klebt. Ringsum sind wie auf ein Kommando alle Kreuzfahrer
stehengeblieben. Sie schauen alle in die gleiche Richtung, wenden
sich dem Hügelkamm oberhalb der Stadt zu, wie ein ganzes Feld
von Sonnenblumen, die ihren Kopf dem Licht zuwenden. Sie murmeln alle
das gleiche Wort, wieder und immer wieder – Feenland,
Feenland, Feenland. Eine plötzliche Bewegung geht durch die
Schar. Auf der Straße, entlang der Böschung, auf den
braunen, verwilderten Feldern – überall setzen sich die
Menschen auf den Boden.
    Schließlich ist Todd der einzige, der noch aufrecht dasteht.
Wütend und verzweifelt macht er kehrt und läuft den Weg
zurück, den er gekommen ist.
     
    »Sie denken, daß sie ihr Ziel erreicht haben«,
sagt Katrina.
    Todd gurgelt mit Wasser und spuckt es aus. Der Gedanke, daß
ihn das Mädchen infiziert haben könnte, versetzt ihn in
Panik. Seine Haare sind staubbedeckt, und er hat Seitenstechen. Er
wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. »Welches
Ziel denn?« fragt er.
    »Feenland. Zumindest glaubten sie, daß ihr Kreuzzug
dort enden würde. In Wahrheit marschierten sie dem eigenen Tod
entgegen – ahnungslos, wie ich hoffe. Es sei denn, sie ist noch
grausamer, als ich sie einschätze. Aber das spielt jetzt keine
Rolle mehr. Wir haben sie gerettet.«
    »Das hier ist das Werk von Antoinette?«
    »So heißt sie heute. Früher nannte sie sich
Milena, aber auch das war nicht ihr richtiger Name. Max hat alles
versucht, aber er konnte ihre wahre Identität nicht
aufspüren…«
    »Sind Namen so wichtig?«
    »Namen bedeuten Macht. Doch selbst wenn sie den
Kinder-Kreuzzug hierher geführt hat – ihre Rechnung ging
nicht auf.«
    Katrina wendet sich ab und richtet ihr Fernglas auf den
Hügelkamm oberhalb der Ruinenstadt. »Ich glaube, irgend
etwas hat die Angriffskette der Söldner dort droben infiltriert.
Vielleicht läßt sich mit diesem Ding da – mit dieser
Kamera-Plattform mehr erkennen.«
    »Schick sie mal rüber, Spike!«
    »Damit sie abgeschossen wird?«
    »Das fällt dir aber reichlich spät ein.«
    Spike gibt der Drohne die Maximalhöhe von zweihundert Metern
ein. Das Bild auf dem Flach-Monitor ist gestochen scharf. Es zeigt
Fahrzeuge, die sich zögernd zu einer Kolonne
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