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Feenland

Feenland

Titel: Feenland
Autoren: Paul J. McAuley
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ordnen.
Mündungsblitze zucken und flackern zwischen den Lastern und
Jeeps. Ein kurzer, wackliger Zoom, und dann eine Nahaufnahme von
nackten, blauhäutigen Gestalten, die zwischen den Bäumen
und verdorrten Farndickichten am Waldrand hin und herhuschen.
    Todd sieht, wie Kemmels Motorrad den Kamm erklimmt und losprescht.
Die Jeeps und dann die Laster folgen in einer gezackten Linie. Einige
der Söldner legen eine Rauchbarriere, die übrigen feuern
aufs Geratewohl, während sie die Motoren hochjagen und der
Ruinenstadt entgegendonnern. Orangerote Mündungsblitze
züngeln aus den dichten weißen Schwaden, die sich die
Hangterrassen hinunterwälzen. Dann durchbrechen die Fahrzeuge
den Rauch, verteilen sich auf dem Polymer-See – und werden
langsamer.
    Katrina läßt ein Triumphgeheul los, das jedem Elf zur
Ehre gereichen würde, und ringsum kreischen und trommeln die
wilden Feen.
    Die Fahrzeuge der Söldner beginnen einzusinken. Die schweren
Truppentransporter kippen nach vorn.
    Die Jeeps versuchen umzukehren, aber ihre Ballonreifen wühlen
sich nur tiefer in die halbflüssige Masse und kommen nicht vom
Fleck. In ein paar Minuten ist alles vorbei. Einige der Söldner
schießen bis zuletzt. Einige retten sich auf die Fahrerkabine
eines Lasters, aber dann legt er sich zur Seite, und ihnen bleibt
keine andere Wahl, als in den zähen Brei zu springen.
    Dann ziehen die weißen Rauchschwaden auf den Polymer-See
hinaus und lösen sich allmählich auf. Es ist hell geworden.
Feen haben sich am Hügelkamm versammelt und winken ihren
Gefährten drunten in der Ruinenstadt zu.
    Katrina hält Todds Arm wie in einem Schraubstock fest und
sagt immer wieder: »Weises Blut! Sie haben weises
Blut!«
    Spike denkt nicht daran, seine Telepräsenz-Brille abzunehmen.
Er ist immer noch dabei, die Ereignisse aufzuzeichnen. »Da kommt
jemand auf einem kleinen zotteligen Elefanten den Hang
herunter«, sagt er. »Könnte das vielleicht Ihr Freund
sein?«

 
19    Feenland
     
     
    Ray sagt: »Noch diesen Tag und die Nacht danach. Dann geht
ihr. Alle.«
    »Du bist ein undankbarer kleiner Scheißkerl«,
schimpft Katrina.
    Ray schaut zu ihr auf und wirft sich in Pose. »Ich kann dich
echt schlimm zurichten, aber ich tu’s nicht. Du mußt
dankbar sein.«
    »Alex wäre um ein Haar für dich gestorben. Und ich
auch. He, du bist doch bloß hier, weil irgend jemand eine
wertlose Arbeitspuppe umgebaut hat!«
    »Hast du darum gebeten, auf die Welt zu kommen?«
    Ray grinst jetzt, und Katrina tritt einen Schritt zurück.
    Alex stützt sich auf einen Ellbogen und sagt: »Ich war
meiner Mutter immer dankbar, Ray. Meinen Vater kannte ich nicht, aber
meine Mutter, auf die konnte ich mich verlassen.«
    Alex liegt auf einer dicken Schicht von Tannenzweigen. Das Fieber,
das fast den ganzen Tag in seinem Blut gebrannt hat, läßt
allmählich nach. Er fühlt sich matt und schwer, so schwer,
als sei er auf Jupiter, und er friert trotz der silbrigen
Thermodecke, in die Mistress Powell ihn eingewickelt hat, trotz des
heißen, süßen Tees, den sie ihm
eingeflößt hat, trotz der kalorienreichen Milchschokolade,
von der er nicht weniger als ein halbes Kilo gegessen hat. Sein Herz
flattert in der Brust; er hat Angst, daß es irgendwann
zerspringt.
    Er hat einen weiteren, T-Lymphozyten angereicherten Liter Blut
gespendet. Die überlebenden Zornigen kommen einer nach dem
anderen vorbei, schöpfen eine Handvoll seines Blutes aus einer
großen Schale, trinken es und lecken sich im Weggehen die
langen Finger ab. Trinkt dies, es ist mein Blut. Mein weises, zu
eigenem Leben erwecktes Blut. Sie werden die von den T-Lymphozyten
abgesonderten Code-Archive benutzen, um Stämme von
Anti-Kreuzzug-Vektoren herzustellen, und diese mit einem Kuß an
die letzten noch nicht kurierten Prozessionsteilnehmer weitergeben,
die in den unkrautüberwucherten Feldern westlich der Ruinenstadt
herumsitzen.
    Die Feen aus dem Gefolge der Zwillinge haben schnell die Lust an
der Umwandlung der Menschen verloren und sich aus dem Staub gemacht.
Die Zwillinge selbst verschwanden etwa zur gleichen Zeit. Alex
mußte Ray fragen, was aus den beiden kleinen Mädchen
geworden war. Plötzlich ist er von Ray abhängig. Sie alle
sind von ihm abhängig. Es gibt kaum einen Elf, der mit den
Menschen spricht; und die wenigen, die es tun, reden nur Unsinn. Da
ist einer, ein bulliger, mit scheußlichen Trophäen
behängter Kerl, der so tut, als seien die Menschen seine
Haustiere oder Sklaven. Ray konnte Katrina gerade
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