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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Autoren: Tim Weiner
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aus. Wochen zuvor hatte man einen verdeckten Informanten in die Gruppe eingeschleust. »Terroristen bei Razzia in Paterson gefasst«, lautete die Schlagzeile der New York Times . Das Bureau verkündete, die dort erbeuteten Bögen rosafarbenen Druckpapiers ähnelten dem mit »Plain Words« überschriebenen Flugblatt, das man im Juni 1919 bei dem zerstörten Haus von Justizminister Palmer gefunden hatte. »Der erste Hinweis auf die Urheber der Bombenanschläge, die die Nation bewegten«, hieß es in dem Artikel.
    Doch Hoover hatte keine Zeit, diesen Hinweis weiterzuverfolgen. Er wurde vor das Bundesgericht in Boston zitiert, um das Vorgehen seiner Behörde im Krieg gegen den Kommunismus zu verteidigen.
    »Die Demokratie scheint jetzt bedroht«
    In politischen Kreisen wuchs die Kritik an der Verhaftungswelle, eine öffentliche Reaktion, die Hoover nicht für möglich gehalten hätte.
    Der US-Bundesstaatsanwalt Francis Fisher Kane aus Philadelphia hatte mit einem offenen Brief an den Präsidenten sein Amt niedergelegt. »Ich lehne großangelegte Verhaftungsaktionen gegen Ausländer, die im ganzen Land durchgeführt werden, entschieden ab«, schrieb er. »Die Politik von Razzien gegen große Bevölkerungsgruppen ist allgemein unklug und führt sehr wahrscheinlich zu Unrecht.« [65]   Der Leiter der Einwanderungsbehörde in Seattle hatte seine Vorgesetzten in Washington darauf hingewiesen, das Bureau habe zahllose Unschuldige festgenommen, um eine Handvoll Verdächtige zu finden. Und in Boston rief der Bundesrichter George W. Anderson bei einem vom jungen Harvard Liberal Club veranstalteten Bankett in einer Ansprache vor zweihundert Gästen offen dazu auf, die Verhaftungsaktionen vor Gericht anzufechten.
    Richter Anderson behauptete, die Regierung hänge einer Verschwörungstheorie an. »Als Nachwirkung unseres ›Krieges, um die Welt für die Demokratie sicher zu machen‹, scheint die echte Demokratie in Amerika jetzt bedroht«, sagte er. »Die gleichen Personen und Zeitungen, die sich zwei Jahre lang Geschichten über deutschfreundliche Verschwörungen ausdachten, propagieren jetzt den ›Roten Terror‹. […]
    Ich kann nicht garantieren, dass es nicht den einen oder anderen Bombenwerfer geben wird. Es gibt Rote – wahrscheinlich sogar gefährliche Rote. Aber sie sind nicht halb so gefährlich wie diese pseudopatriotischen Schwätzer. […]
    Echte Amerikaner, die an Recht, Ordnung, Freiheit und Toleranz gegenüber politisch und religiös Andersdenkenden glauben, neigen nicht dazu, sich selbst und ihren Patriotismus zur Schau zu stellen. Sie haben zu viel Respekt vor Amerikanismus und Patriotismus, um diese feinen Worte zu entehren, wie sie tagtäglich von denen entehrt werden, die sie zur Förderung ihrer persönlichen oder politischen Bekanntheit benutzen.« [66]  
    Tags darauf wurde beim Bundesgericht in Boston ein Antrag auf Haftprüfung gestellt, und zwar im Namen der Gefangenen auf Deer Island. Richter Anderson hatte das Ganze eingefädelt und heimlich dafür gesorgt, dass er den Fall selbst verhandelte, nachdem er den jungen Juraprofessor Felix Frankfurter aus Harvard, ein treues Mitglied des dortigen Liberal Club, hinzugezogen hatte. Der Bostoner Einwanderungsbeauftragte Henry J. Skeffington, als Hauptbeschuldigter genannt, war außer sich. »Es wird mir ein großes Vergnügen sein, einige dieser Harvard-Liberal-Club-Mitglieder persönlich einzukassieren«, rief er. »Ich brauche nur einen Haftbefehl, dann kaufe ich sie mir.« [67]  
    Justizminister Palmer, der kurz davor stand, seine Präsidentschaftskandidatur zu verkünden, wollte sich nicht mit den Einzelheiten des Falls belasten. Darum sollte sich Hoover kümmern.
    Das Justizministerium würde die Verhaftungen durch das Bureau und die Abschiebungen von Deer Island vor einem ablehnend eingestellten Richter in einer öffentlichen Sitzung rechtfertigen müssen. Hoover wusste, dass dies ein Problem darstellte. Das Bureau hatte seine Befugnisse überschritten. Sein Vorgehen hielt einer genaueren Überprüfung nicht stand.
    Am Mittwoch, dem 7. April 1920 traf Hoover bei Tagesanbruch mit dem Schlafwagen aus Washington in Boston ein, um sich zum ersten Mal vor Gericht zu verantworten. In Richter Andersons Gerichtssaal legte Felix Frankfurter, der die Gefangenen vertrat, bei der Beweisaufnahme sofort das Telegramm vor, das an die Agenten gegangen war: Verzichten Sie möglichst auf Durchsuchungsbefehle, nehmen Sie alles mit, was Sie in die Finger
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