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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Autoren: Tim Weiner
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Staatsbürgerschaft beantragt. Sein Fall war klar. Goldman dagegen machte geltend, sie sei durch ihre Heirat Amerikanerin geworden, was ihre Deportation erschwerte. Ihres Falls nahm sich Hoover persönlich an.
    In derselben Woche Ende August 1919 schickte Hoover seine Agenten zur Infiltration zweier führender linker Organisationen Amerikas. Beide hielten übers Wochenende zum Labour Day am ersten Montag im September eine Versammlung in Chicago ab.
    Die eine war die Sozialistische Partei. Die Sozialisten versuchten schon seit Jahren, innerhalb des politischen Systems Amerikas zu operieren. Ihre Kandidaten traten bei einzel- und bundesstaatlichen Wahlen im ganzen Land an, manchmal erfolgreich. Doch nach der Inhaftierung ihres Vorsitzenden Eugene Debs war ihre Führungsspitze zersplittert. Ihre radikalsten Mitglieder revoltierten unter Führung von John Reed, einem sowjetischen Geheimagenten und Verfasser einer romantischen Schilderung der bolschewistischen Revolution unter dem Titel Zehn Tage, die die Welt erschütterten , und seines Freundes Benjamin Gitlow, eines radikalen Abgeordneten des Staates New York. Sie hatten sich in einer Gruppe mit dem Namen Kommunistische Arbeiterpartei (Communist Labor Party) zusammengeschlossen.
    Die zweite Organisation, die jetzt unter Beobachtung gestellt wurde, war die weniger bekannte Union of Russian Workers, die Gewerkschaft der Russischen Arbeiter. Hoovers Blick war auf einen Bericht über die Gewerkschaft gefallen, den ein umtriebiger Agent des Bureau of Investigation, Edgar B. Speer, verfasst hatte. Der ehemalige Zeitungsreporter aus Pittsburgh hatte unter den Kohle- und Stahlbossen des Mittleren Westens gute Informanten; sein Sohn wurde später Vorsitzender der U.S. Steel Corporation. Die Bosse hatten Speer auf die Aktivitäten der Gewerkschaft der Russischen Arbeiter unter den Bergarbeitern von Pennsylvania, Ohio und West Virginia aufmerksam gemacht. Nach der Lektüre zahlloser Dokumente, die in der Zentrale der Organisation in Manhattan beschlagnahmt worden waren, war er zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei den Russischen Arbeitern um eine Verschwörung tausender Einwanderer – Atheisten, Kommunisten und Anarchisten – handelte, die in Amerika den Aufstand planten.
    Sie seien »Terroristen«, berichtete er, »bereit zu jeglicher Aktion, wenn die Zeit für eine Revolution gekommen ist«. [41]  
    Hoover begann mit den Vorbereitungen zu einer amerikanischen Konterrevolution.

5
    »Wer ist Mr Hoover?«
    Am Nachmittag des 30. Dezember 1919 saß der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Amerikas, Charles E. Ruthenberg, beim Lunch mit sieben seiner engsten Genossen. Einer von ihnen war ein Spitzel, der seine Berichte unter dem Vermerk »Zu Händen Mr Hoover« an das Justizministerium lieferte.
    Der siebenunddreißigjährige Ruthenberg wirkte mit seiner mageren Statur und der Halbglatze weit älter, als er war. Er hatte in Ohio für die Sozialistische Partei als Abgeordneter kandidiert und ein ordentliches Ergebnis erzielt. 1918 war er nach dem Spionagegesetz wegen kriegsfeindlicher Handlungen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Bei seiner Entlassung war er ein knallharter Kommunist. Soeben war er in New York wegen krimineller Anarchie unter Anklage gestellt worden, weil er das Parteiprogramm veröffentlicht hatte. Nun befürchtete er eine neue Verhaftungswelle. »Die Kommunistische Partei ist praktisch zerschlagen«, sagte Ruthenberg laut des Berichts des Geheimagenten an Hoover. »Die meisten ihrer Führer sitzen entweder im Gefängnis, halten sich versteckt oder haben Angst.« Sollte die Regierung erneut durchgreifen, so befürchtete er, würde die Partei nur im Untergrund überleben können. [58]  
    Zur gleichen Zeit zählte J. Edgar Hoover die Stunden bis zum Beginn der Razzien.
    Hoover lagen die Namen von 2280 Kommunisten vor, und am Morgen des 31. Dezember fügte er seiner Liste noch hunderte hinzu. Sechs Wochen lang hatten seine Männer ununterbrochen daran gearbeitet, die Namen zusammenzutragen. Allein in New York hatte das Bureau mindestens 700 Kommunisten identifiziert. Hoover hatte verdeckte Informanten in den kommunistischen Reihen, Offiziere des militärischen Nachrichtendienstes, Angehörige der einzelstaatlichen sowie lokalen Polizeibehörden, Wirtschaftsbosse, Privatermittler, Mitglieder der American Protective League und Veteranen der neugegründeten American Legion als Helfer rekrutiert.
    Bis zur Silvesternacht hatte Hoover vom
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