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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Autoren: Tim Weiner
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gegen das Gesetz verstoßen hatte. Viele hundert Festgenommene waren überhaupt keine Mitglieder der Kommunistischen Partei: Zum Teil hatte man ihre Namen einfach von der Mitgliederliste der Sozialistischen Partei abgeschrieben, oder sie hatten aus reiner Neugier eine kommunistische Versammlung besucht, oder sie waren einfach irrtümlich festgenommen worden. Post wies auch Fälle ab, in denen man Gefangenen einen Anwalt verweigert hatte oder in denen die Angeklagten aufgrund illegal beschaffter Beweise verurteilt worden waren. Er ging nach dem Buchstaben des Gesetzes vor, nicht nach dem Zeitgeist. So, wie er durchgriff, würden sich zwischen vier- und fünftausend Verfahren im Zuge der Razzien gegen die Kommunisten nicht aufrechterhalten lassen.
    Hoover startete einen erbitterten Gegenangriff, der in Amerika zur festen Einrichtung wurde: die politische Überwachung von Hoovers prominenten Gegnern.
    Er stellte ein Dossier über Posts politische Verbindungen zu Linken wie Emma Goldman zusammen und schickte es an wichtige Kongressabgeordnete. Sein Ziel war eine Amtsenthebung Posts sowie eine Revision seiner Entscheidungen. Hoovers erster Vorstoß in die politische Kriegsführung auf höchster Regierungsebene war zunächst erfolgreich. Das House Rules Committee, der Geschäftsordnungsausschuss des Repräsentantenhauses, nahm sein Gesuch um eine offizielle Untersuchung von Louis Posts Vorgehen an und setzte den Beginn der Anhörungen auf vier Wochen später fest.
    Justizminister Palmer brachte Hoovers Fall direkt ins Weiße Haus. Palmer verlangte den Präsidenten unverzüglich zu sprechen. Das hatte die erste Kabinettssitzung zur Folge, die Woodrow Wilson seit sieben Monaten einberufen hatte. Seit Wilsons schwerem Schlaganfall war das Weiße Haus zur Isolierstation geworden.
    Am 14. April 1920 um 10 Uhr morgens trat Palmer durch den bewachten Seiteneingang neben den verschlossenen Toren des Weißen Hauses, begab sich nach oben in das Arbeitszimmer des Präsidenten und sah einen sterbenden Mann vor sich. Wilson konnte sich nicht mehr ohne Hilfe fortbewegen. Seine Gedanken schweiften ab, er sprach stockend. Der Präsident hatte nur eine vage Ahnung davon, dass in den Vereinigten Staaten ein Krieg gegen den Kommunismus geführt wurde.
    Bereits wenige Minuten nach Beginn der Kabinettssitzung riss Palmer das Gespräch an sich. Nach dem glaubwürdigen Augenzeugenbericht des Marineministers Josephus Daniels trat Palmer eine »hitzige Debatte« los. Palmer führte ins Feld, das Land sei durch Revolution und Aufruhr bedroht. Er lenkte das Augenmerk des Präsidenten darauf, dass Louis Post für die Krise verantwortlich sei, und forderte dessen Entlassung.
    Der Präsident »sagte Palmer, er solle das Land nicht rot sehen lassen« – »eine dringend benötigte Ermahnung«, wie Daniels es auffasste, »denn Palmer sah hinter jedem Busch einen Roten«. Palmer jedoch entschied, die Worte des Präsidenten gänzlich anders zu interpretieren. Er hörte, was er hören wollte: Grünes Licht für seine Kampagne, das Land von den Kommunisten zu säubern.
    Am 29. April gab Palmer bekannt, dass für den 1. Mai ein terroristischer Angriff auf die Vereinigten Staaten geplant sei. Diese Warnung ging von Hoover und dem Bureau of Investigation aus – höchste Alarmbereitschaft aufgrund eines internationalen Komplotts, amerikanische Führungspersönlichkeiten zu töten und Wahrzeichen zu zerstören.
    »Die Verschwörung ist landesweit«, erklärte der Justizminister den Zeitungen. Regierungsbeamte und Wirtschaftsführer seien die Anschlagsziele; Warnungen seien an alle auf einer schwarzen Liste stehenden Männer ergangen. Agenten des Bureau, Angehörige der Staatsmiliz sowie Polizeibeamte im ganzen Land waren in Alarmbereitschaft, wobei sie sich auf New York, Chicago, Philadelphia und New Orleans konzentrierten; sie überwachten Bahnhöfe, Häfen, Büros an der Wall Street und die Privathäuser der mächtigsten Männer Amerikas. [70]  
    Es war falscher Alarm. Der 1. Mai verging ohne besondere Vorkommnisse. »Die Nacht ist zwar noch nicht vorüber, aber es sieht so aus, als hätten die erwarteten Übergriffe abgewendet werden können«, erklärte Hoover den Reportern am späten Abend. Hinter vorgehaltener Hand wurde gekichert, vereinzelt wurde der Verdacht geäußert, wie Hoover selbst festhielt, dass die angeblich für den 1. Mai geplanten Komplotte »Hirngespinste des Justizministers« seien. Kurz hintereinander begannen die Presse, die
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