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0072 - Die Ruine des Hexers

0072 - Die Ruine des Hexers

Titel: 0072 - Die Ruine des Hexers
Autoren: Walter Appel
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Es war ein bildschöner Frühlingstag, und der Sonnenschein erhellte den Buchen- und Lindenwald, badete ihn in einem Meer von Licht.
    Vögel zwitscherten, und Bienen flogen um die Lindenblüten.
    Dürres Laub raschelte unter den Hufen des Rappen. Als der Förster sah, daß der Baron den Weg zur Lichtung einschlug, folgte er ihm zögernd.
    Baron Armand ritt im Schritt weiter. Ihm war es, als werde es um einige Grade kühler. Irrte er, oder war das Sonnenlicht nicht mehr so hell? Die Vogelstimmen verklangen, und sogar die Bienen wurden seltener.
    Still wurde es, immer stiller, je mehr er sich der Lichtung näherte.
    Baron Armand wartete, bis der Förster zu ihm getreten war. Er krampfte die Rechte um den Griff der Reitpeitsche.
    »Fällt dir etwas auf, Dissot?«
    Der Alte sah sich ängstlich um, nickte.
    »Ja, Herr Baron«, flüsterte er. »Es ist unheimlich. Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Wir sollten umkehren.«
    Baron Armand de Gascoyne atmete tief.
    »Nein, Dissot, das ist mein Wald. Ich will wissen, was hier vorgeht.« Er zögerte. »Es könnte nicht schaden, wenn du deinen Drilling von der Schulter nimmst und entsicherst.«
    Der Förster gehorchte.
    Langsam ritt der Baron weiter, und Förster Dissot ging neben dem Pferd her, den Drilling im Anschlag. Ein trockener Ast knirschte unter seinem Tritt, ließ ihn zusammenfahren. Der Baron sah zwischen den Bäumen die nicht allzu große Lichtung schimmern.
    Oval war sie, zur Hälfte vom Baumgeäst überschattet, mit Haselund Wacholderbüschen am einen Ende. Am andern Ende erhob sich die mächtige alte Eiche. Aber da, wo Blumen und grünes, saftiges Gras hätten sein sollen, stand etwas.
    Ein Gebäude; finster und drohend. Es war eine Ruine, aber keine, die durch hohes Alter und Baufälligkeit entstanden war, sondern durch Zerstörung. Das halbe Dach fehlte, die Mauern waren brandgeschwärzt.
    Als sie näherkamen, sahen der Baron und sein Förster die halbrunden Fensteröffnungen, in denen die Hitze das Glas hatte bersten lassen. Der eine Torflügel stand halb offen, und er war angekohlt, genau wie die Mauern.
    Aus dem halbverbrannten Dach ragten geschwärzte Balken, und Brandgeruch verpestete die Luft. Der Baron und der Förster blieben am Rand der Lichtung stehen. Still war es, unheimlich still.
    Den Baron überlief es kalt.
    »Verdammte Hütte! Wie ist das möglich? Das muß ich mir doch einmal aus der Nähe ansehen.«
    Armand de Gascoyne saß ab und schlang die Zügel des Rappen um einen Ast. Das Pferd schnaubte, zerrte am Zügel und wollte fort.
    Der Baron hob die Reitpeitsche.
    »Still, le Noir. Bleib hier!«
    Die Flanken des Pferdes zitterten. Der Rappe drehte der Lichtung mit der unheimlichen Ruine die Rückseite zu, senkte den Kopf. Dissot starrte gebannt auf das Gemäuer. Der Pestgestank des verkohlten Holzes und der feuergeschwärzten Steine erfüllte den Wald.
    Finster blickte der hochgewachsene Baron auf die Lichtung. Er spürte eine böse Vorahnung, aber er unterdrückte sie. Es zog ihn hin zu der Ruine, wie den Eisenspan zum Magneten. Unfaßbare Kräfte hielten ihn schon in ihrem Bann.
    »Gehen Sie nicht, Herr Baron!« sagte der Förster flehend. »Lassen Sie uns von hier verschwinden. Das ist kein guter Ort.«
    »Halt deinen Mund, altes Waschweib! Das will ich doch gleich herausfinden, was in meinem Wald vor sich geht.«
    De Gascoyne schlug mit der Reitpeitsche gegen einen Baumstamm. Entschlossen schritt er auf die Ruine zu. Nach der Gebäudeform, den halbrunden Fenstern und der großen Tür, mußte es eine Kapelle sein. Aber es war kein Kreuz zu sehen, kein Abzeichen des christlichen Glaubens.
    Die Flinte in der Hand des grüngekleideten Försters zitterte. Sein Mund stand halb offen. Er sah den Baron auf der Schwelle zögern.
    Dann straffte sich Armand de Gascoynes Rücken. Mit einem entschlossenen Schritt trat er in die Kapelle. Der Förster atmete zitternd aus, schlug das Zeichen des Kreuzes und murmelte ein Gebet.
    Da schlug der angekohlte Torflügel krachend zu, und im nächsten Augenblick brach ein infernalischer Lärm los. Er kam aus der Kapelle, und der Baron schrie in Todesnot.
    Der Rappe riß sich los und galoppierte aufwiehernd davon, verschwand im Wald. Der Förster wäre ihm gern gefolgt, aber er konnte sich nicht rühren.
    Es krachte und polterte in der brandgeschwärzten Ruine. Der Baron rief gellend um Hilfe, stieß Schmerzensund Angstschreie aus, die dem alten Dissot durch und durch gingen. Stimmen und unheimliche Laute
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