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Fata Morgana

Fata Morgana

Titel: Fata Morgana
Autoren: Agatha Christie
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Edgar. Ich dachte schon, ich würde es nicht mehr rechtzeitig schaffen. Wie ich sehe, hast du Miss Marple gefunden. Ich bin gekommen, um sie abzuholen.« Sie strahlte Miss Marple an, und man sah zwei Reihen vollkommener Zähne in einem sonnengebräunten südländischen Gesicht. »Ich bin Gina«, sagte sie. »Carrie Louises Enkelin. Wie war die Reise? Schlimm? Was für ein hübsches Einkaufsnetz. Ich liebe Einkaufsnetze. Warten Sie, ich nehme das Netz und die Mäntel, dann können Sie besser einsteigen.«
    Edgars Gesicht rötete sich. Er protestierte: »Moment mal, Gina, ich habe Miss Marple abgeholt. Das war so ausgemacht...«
    Wieder blitzten in dem breiten, trägen Lächeln Zähne auf. »Ich weiß, Edgar, aber ich hab mir plötzlich gedacht, es wäre doch nett, wenn ich auch käme. Ich nehme sie mit, und du kannst warten und ihr Gepäck nachbringen.«
    Sie schlug die Tür auf Miss Marples Seite zu, lief um den Wagen herum, sprang in den Fahrersitz, und sie fuhren mit surrendem Motor rasch davon.
    Miss Marple blickte zurück und sah Edgar Lawsons Gesicht. »Ich glaube nicht, meine Liebe«, sagte sie, »dass Mr Lawson sehr erbaut ist.«
    Gina lachte. »Edgar ist ein furchtbarer Idiot«, sagte sie. »Er spielt sich immer so auf. Als ob ihn irgendjemand ernst nehmen würde!«
    »Das ist also nicht der Fall?«, fragte Miss Marple.
    »Edgar?« Ginas verächtliches Lachen hatte einen unbewusst grausamen Unterton. »Ach, der ist doch bekloppt.«
    »Bekloppt?«
    »Die sind alle bekloppt auf Stonygates«, sagte Gina. »Ausgenommen Lewis und Grandam und ich und die Jungen – und natürlich auch Miss Bellever. Aber sonst alle. Manchmal hab ich Angst, ich schnappe auch über, wenn ich noch lange da wohnen bleibe. Sogar Tante Mildred geht allein spazieren und murmelt dabei ständig vor sich hin. Würde man nicht denken von der Witwe eines Kanonikus, was?«
    Sie ließen die Bahnhofszufahrt hinter sich und fuhren mit zunehmendem Tempo über die glatte, leere Straße. Gina warf ihrer Begleiterin einen raschen Blick aus den Augenwinkeln zu. »Sie sind mit Grandam zur Schule gegangen, stimmt's? Das kommt mir richtig komisch vor.«
    Miss Marple wusste genau, was sie meinte. Der Jugend erscheint es höchst merkwürdig, dass die Alten auch einmal jung waren, Zöpfchen hatten und sich mit dem Einmaleins und der englischen Literatur abplagten.
    »Das muss ja furchtbar lange her sein«, sagte Gina mit einem fast ehrfürchtigen Unterton – es sollte offensichtlich nicht unhöflich klingen.
    »Allerdings«, sagte Miss Marple. »Bei mir fällt Ihnen das mehr auf als bei Ihrer Großmutter, hab ich Recht?«
    Gina nickte. »Süß, dass Sie das sagen. Grandam wirkt irgendwie alterslos.«
    »Ich habe sie lange nicht gesehen. Ich bin gespannt, ob sie sich sehr verändert hat.«
    »Graue Haare hat sie natürlich«, sagte Gina vage. »Und sie geht am Stock wegen ihrer Arthritis. In letzter Zeit ist es viel schlimmer geworden. Ich nehme an –« Sie brach ab und fragte dann: »Waren Sie schon mal auf Stonygates?«
    »Nein, nie. Aber ich habe natürlich viel davon gehört.«
    »Eigentlich ist es scheußlich«, sagte Gina fröhlich. »Eine gotische Monstrosität. Steve nennt es besten Viktorianischen Toiletten-Stil. Aber irgendwie macht's auch Spaß. Nur dass natürlich alles wahnsinnig ernst ist und man auf Schritt und Tritt über Psychiater stolpert. Die dort in ihrem Element sind. So ähnlich wie Pfadfinderführer, nur noch schlimmer. Die jungen Kriminellen sind eigentlich nette Typen, wenigstens ein paar von ihnen. Einer hat mir mal gezeigt, wie man mit einem Stück Draht Schlösser knackt, und einer mit einem Engelsgesicht hat mir jede Menge Tipps gegeben, wie man Leuten den Schädel einschlägt.«
    Miss Marple dachte gründlich über diese Mitteilungen nach.
    »Die Schlägertypen sind mir die liebsten«, sagte Gina. »Mit den Perversen kann ich nicht so viel anfangen. Lewis und Dr. Maverick glauben natürlich, dass sie alle pervers sind – ich meine, sie glauben, es liegt alles an unterdrückten Wünschen und einem zerrütteten Familienleben, an den Müttern, die mit Soldaten durchbrennen und so weiter. Mir selber leuchtet das nicht so ein, es gibt ja auch Leute, die ein furchtbares Zuhause hatten und trotzdem ganz anständige Menschen geworden sind.«
    »Das sind bestimmt alles ganz schwierige Probleme«, sagte Miss Marple.
    Gina lachte und zeigte dabei wieder ihr prachtvolles Gebiss. »Mich lässt das ziemlich kalt. Manche haben anscheinend
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