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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande
Autoren: Tom Sharpe
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eine Kreuzfahrt«, sagte Mr. Bullstrode, »in irgendeine heiße, sonnige Gegend. Das Essen soll hervorragend sein.«
Mr. Flawse starrte in die Tiefen seiner Karaffe und dachte über den Vorschlag nach. Am Rat seiner Freunde war etwas dran, außerdem hatten sich in letzter Zeit etliche Pächter beschwert, Lockhart habe sich mangels leichtfüßiger Jagdbeute inzwischen angewöhnt, Schafe auf dreizehnhundert Meter Entfernung abzuknallen, Beschwerden, die Lockharts Menüs untermauerten. Für Mr. Flawses Verdauung und Gewissen hatten sie in letzter Zeit etwas zu oft nicht durchgebratenen Hammel gegessen, zudem war Lockhart achtzehn, und es wurde Zeit, daß er den Knaben unter die Haube brachte, bevor der irgendwen unter die Erde brachte. Wie zur Untermalung dieser Überlegungen hörte man aus der Küche Mr. Dodds northumbrischen Dudelsack eine melancholische Weise spielen, während Lockhart ihm gegenübersaß und lauschte, so wie er Mr. Dodds Erzählungen über die gute alte Zeit und die beste Methode, wie man Fasane wilderte oder Forellen kitzelte, zu lauschen pflegte.
»Ich werde es mir überlegen«, versprach Mr. Flawse schließlich.
In dieser Nacht half heftiger Schneefall bei seiner Entscheidung nach, und als Dr. Magrew und Mr. Bullstrode zum Frühstück nach unten kamen, fanden sie ihn in einer zugänglicheren Laune vor.
»Ich überlasse Ihnen die Vorbereitungen, Bullstrode«, sagte er, als er seinen Kaffee getrunken und eine geschwärzte Pfeife angezündet hatte. »Und der Bastard kommt mit.«
»Um einen Paß zu kriegen, braucht er eine Geburtsurkunde«, sagte der Rechtsanwalt, »außerdem ...«
»In einem Graben geboren, in einem Kanal wird er sterben. Ich lasse ihn erst registrieren, wenn ich weiß, wer sein Vater ist«, knurrte Mr. Flawse.
»Durchaus«, bemerkte Mr. Bullstrode, der das Thema Auspeitschen so früh am Morgen vermeiden wollte. »Ich schätze, man kann ihn in Ihren Paß eintragen lassen.«
»Nicht als sein Vater«, fauchte Mr. Flawse, dessen Gefühle für seinen Enkel sich in ihrem Ausmaß teilweise durch seinen schrecklichen Verdacht erklärten, daß er persönlich möglicherweise nicht bar jeder Verantwortung für Lockharts Zeugung sein könnte. Die Erinnerung an eine trunkene Begegnung mit einer Haushälterin, die, wenn er es recht bedachte, nicht nur jünger, sondern auch widerspenstiger gewesen war, als ihr Aussehen ihn tagsüber hatte erwarten lassen, bereitete ihm immer noch Gewissensqualen. »Nicht als sein Vater.«
»Als sein Großvater«, sagte Mr. Bullstrode. »Dafür brauche ich ein Foto.«
Mr. Flawse begab sich in sein Arbeitszimmer, wühlte in einer Schreibtischschublade herum und kam mit einem Schnappschuß zurück, auf dem ein zehn Jahre alter Lockhart zu sehen war. Mr.
Bullstrode musterte es zweifelnd.
»Er hat sich seitdem stark verändert«, sagte er.
»Nicht daß ich wüßte«, sagte Mr. Flawse, »und wenn es einer
weiß, dann ich. Er war schon immer ein dussliger Knilch.« »Wie wahr, und zwar einer, den es praktisch gar nicht gibt«, sagte Dr. Magrew. »Wie Sie wissen, ist er nicht bei der staatlichen Krankenversicherung registriert, und falls er jemals erkranken sollte, wird er es sicherlich schwer haben, überhaupt behandelt zu werden.« »Der ist in seinem ganzen Leben noch nicht einen Tag krank gewesen«, entgegnete Mr. Flawse. »Ein gesünderes Ekel findet sich schwerlich.« »Er könnte einen Unfall haben«, gab Mr. Bullstrode zu bedenken. Doch der alte Mann schüttelte nur den Kopf. »Zu schön, um wahr zu sein. Dodd hat ihm beigebracht, wie man sich in einem Notfall verhält. Sie kennen doch bestimmt das Sprichwort, daß ein Wilderer den besten Wildhüter abgibt?« Mr. Bullstrode und Dr. Magrew kannten es. »Nun, mit Dodd ist es umgekehrt. Er ist ein Wildhüter, der den besten Wilderer abgeben würde«, fuhr Mr. Flawse fort, »und genau das hat er aus dem Bastard gemacht. Wenn der durch die Gegend stromert, ist im Umkreis von dreißig Kilometern keine Kreatur vor ihm sicher.« »Apropos stromern«, sagte Mr. Bullstrode, der als Jurist nicht in Lockharts illegale Unternehmungen eingeweiht sein wollte, »wohin möchten Sie denn reisen?«
»Irgendwohin südlich von Suez«, sagte Mr. Flawse, der sich nicht mehr so gut an Kipling erinnerte wie früher. »Alles weitere überlasse ich Ihnen.«
Drei Wochen später verließen Lockhart und sein Großvater Flawse Hall in der uralten geschlossenen Kutsche, die Mr. Flawse als offizielles Transportmittel benutzte. Wie alles
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