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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit
Autoren: Walter Mosley
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Respekt zu erweisen.
     
    Mit Gertrud Longman hatte ich mich zusammengetan, als ich noch stärker in illegale Machenschaften verwickelt war. Sie entdeckte kriminelle Loser, die bei ihren Betrügereien und Perversionen noch nicht erwischtworden waren. Und ich fabrizierte Beweise, um diesem Abschaum Verbrechen in die Schuhe zu schieben, von denen andere Gauner entlastet werden mussten – gegen eine Gebühr, versteht sich.
    Wie es bei großer Leidenschaft häufig so ist, verstand ich nicht, was für eine Frau Gertrud war. Weil sie für mich arbeitete, nahm ich an, dass auch sie sich für ein Leben auf der schiefen Bahn entschieden hatte.
    Sie hatte ein tolles Lächeln und ein prächtiges Hinterteil.
    Als wir ein Paar wurden, versäumte ich es, ihr zu erzählen, dass ich verheiratet war, nicht weil ich mich schämte, sondern weil ich dachte, dass es keine Rolle spielte. Woher sollte ich wissen, dass sie von zwei Komma fünf Kindern und einem Vorgarten träumte?
    Und dann beauftragte die Tochter eines Mannes, der meinetwegen im Gefängnis gelandet war, eines Tages jemanden damit, Gertrud zu töten, nur um mich weinen zu sehen.
    Mindestens einmal im Monat gedachte ich dieses Verlustes mit drei Cognacs. Auf Friedhöfe bin ich nie gerne gegangen.
     
    Lucy, die schlanke Brünette hinter der Bar, lächelte, als ich mich auf den Hocker vor ihr setzte.
    »Hallo, Mr. McGill.«
    »Sie erinnern sich an meinen Namen.«
    »Das ist doch der Job einer Barfrau, oder nicht?« Lucy hatte sehr hübsche Zähne.
    »Früher haben die Republikaner auch an einen schlankeren Staat geglaubt, und Amerika galt weltweitals Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Dinge ändern sich.«
    »Dann bin ich wohl altmodisch. Drei Hennessy?«
    »Sie sind ein Relikt.«
    Während die gut dreißigjährige Barfrau meinen Cognac holte, wandte ich mich dem anderen Grund zu, aus dem ich in diese Bar kam: Immer wenn ich ernsthafte Probleme hatte, nahm ich mir eine Auszeit und versuchte, die weißen Flecken mit Logik zu füllen.
    Es war nicht der Mord an sich, der mich beunruhigte. Ich kannte die tote Frau nicht und hatte nichts mit ihr oder dem Tod ihres mutmaßlichen Mörders zu tun. Alphonse Rinaldo wusste höchstwahrscheinlich nicht, dass sie tot war. Er machte sich vielleicht Sorgen um sie, aber er hatte sie nicht getötet. Und selbst wenn ich der Polizei Namen und Adresse meines Klienten genannt hätte, hätte sie ihn nie zu Gesicht bekommen. Ein An-ruf des Polizeipräsidenten hätte sie ermahnt, diese Spur nicht weiterzuverfolgen, und das wär’s gewesen.
    Ich wusste nicht einmal sicher, wer die tote Frau war, doch auch das bekümmerte mich nicht. Ich hatte meinen Job gemacht.
    Nein, ich hatte mir, was die Todesfälle oder auch meine Verantwortung gegenüber dem NYPD betraf, nichts vorzuwerfen. Juristisch war ich aus dem Schneider.
    »Bitte sehr, Mr. McGill«, sagte Lucy.
    Sie stellte drei äußerst fragile Schwenker mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit vor mir auf den Tresen. Ich nahm das erste Glas und hielt es schräg gen Himmel jenseits der Decke.
    Draußen heulte eine Sirene.
    »War es ein guter Freund?«
    »Sie sind wirklich Old School«, sagte ich zu Lucy.
    »Ich weiß nicht«, meinte sie. »Ich glaube, jeder würde erkennen, dass Sie mit diesen Drinks irgendein Ritual begehen. Sie kommen nicht her, um Leute zu treffen oder Mädchen aufzugabeln. Auf so was achte ich, weil Sie der netteste Betrunkene sind, den ich je hier hatte.«
    »Hören Sie auf, sonst werd ich noch rot, Kindchen.«
    »So jung bin ich auch nicht mehr.«
    »Vielleicht nicht«, sagte ich. »Aber ich bin auf jeden Fall so alt.«
    Lucy schenkte mir ein sehr nettes, beinahe abwägendes Lächeln und schlenderte zu einem Pärchen, das ein paar Hocker entfernt saß.
     
    Juristisch war ich aus dem Schneider, aber der Auftrag war noch nicht erledigt, und statt mich bloß zu vergewissern, dass es der Zielperson Tara Lear gut ging, musste ich mich jetzt wohl vor schallgedämpften Schusswaffen hüten und lange Nächte im grellen Licht polizeilicher Neugier verbringen.
    Es war ein Auftrag, dem ich nicht einfach den Rücken kehren konnte. Kredithaie und Möchtegern-Paten, die meine Dienste in Anspruch nehmen wollten, konnte ich abweisen. Sollten sie wütend werden und versuchen, mich zu holen, wenn sie es unbedingt wollten. Sogar echten Mafiosi konnte ich die Stirn bieten, auch wenn dazu vielleicht ein wenig elegante Beinarbeit vonnöten war.
    Aber Alphonse Rinaldo war kein dahergelaufener
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