Falsche Froesche

Titel: Falsche Froesche
Autoren: Sandra Schoenthal

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Freundin, sind Sie so verzweifelt, dass Sie alle Enttäuschung über Bord werfen und sich sofort mit ihm verabreden. Wer soll trösten, wenn nicht er. Sie eilen ins Café, gottlob, er ist schon da. Unter Tränen erzählen Sie, dass Ihre einstige Schulkollegin mit vierzig Jahren nach einem schweren Autounfall gelähmt im Rollstuhl sitzt. Eine Minute, weiter kommen Sie nicht, da unterbricht er, um zu medizinischen Erläuterungen anzuheben. Ihnen bleibt die Luft weg. Sie brauchen keinen Kommentar, keinen Rat, keine Belehrung. Sie wollten nur erzählen, wie Ihre Freundin war, so schön und stark und wild, und dass sie wahrscheinlich nie wieder normal gehen kann.
    Während er ausführlich von einem zuckerkranken Freund berichtet, schalten Sie völlig ab. Als fiele bei einem Film der Ton aus. Seine Lippen bewegen sich stumm, der intensive Blick geht ins Leere, die Gestik der Hände ergibt keinen Sinn. Das einst faszinierende Gesicht erscheint verzerrt, die lässigen Kleider schäbig, der ganze Mann so lächerlich. Während der Redner unverdrossen weiterquatscht, kommen Ihnen vergangene Szenen ins Gedächtnis.
    Wann immer Sie beide auf der Straße zufällig einen seiner Freunde getroffen hatten, war der in Eile. Ein knappes Hallo und das Versprechen, bald anzurufen, schon war er dahin. Weder rief jemand an noch, so verstehen Sie schlagartig, war irgendwer in Eile. Die anderen kannten ihn und waren nicht gewillt, sich zutexten zu lassen.
    Während Sie langsam in die Gegenwart zurückkehren, verstummt, man glaubt es kaum, Ihr Gegenüber. Er habe, klagt er nach kurzer irritierter Pause, den Faden verloren. Sie möchten ihm doch bitte helfen, wo war er stehengeblieben? Erbarmungslos lächeln Sie ihn an. Schon lange ist Ihnen nichts mehr so von Herzen gekommen wie dieses »Ich habe keine Ahnung«. Sie legen drei Euro auf den Tisch, für den Kaffee samt letztem Vortrag, und stehen auf und gehen.

Der Hypochonder
    Der einzige Arzt, bei dem ich noch nicht war,
ist der Gynäkologe.

Woody Allen
    FALLE
    Er achtet auf Ihre Gesundheit.
    HIMMEL
    Kein Halstuch? Keine Weste? Und, oh Gott, die Beine unbestrumpft in Riemchensandaletten! Beschwingt, gebräunt und wunderbar erfrischt von einem Badetag am See, betreten Sie in bunt geblümtem Rock und weißer Wickelbluse den Garten des Restaurants. Der Mann, der Sie zum Rendezvous erwartet, steht auf, umschließt mit beiden Händen innig Ihre und strahlt Sie an: Du siehst phantastisch aus. Doch dann, nach eingehender Musterung Ihres leichtsinnig luftigen Outfits, verfinstert sich sein Blick.
    Man sollte besser drinnen sitzen, Sie werden sich verkühlen. Zwar habe er einen windgeschützten Tisch gewählt, der jedoch nichts gegen den im Wetterbericht prognostizierten und nach extrem heißen Tagen besonders tückischen Temperatursturz ausrichten könne. Sie lachen, nehmen Platz, und zusätzlich zur lauen Juli-Abendluft wärmt Sie von innen her die Fürsorge, die Ihr potenzieller Lover bereits beim dritten Treffen zeigt. Derlei Umsicht kennen Sie nur von Ihrer Mutter, und das ist lange her.
    Zwei Stunden später − die erwarteten Windböen sind ausgeblieben, doch dürfte die Temperatur auf gefährliche 24 Grad Celsius gesunken sein − legt er Ihnen die flanellgefütterte Wachsjacke, die er für den Fall eines plötzlichen Kälteeinbruchs mitführt, um die Schultern.Den Kaschmirschal, den er aus der Innentasche zaubert, lehnen Sie dankend ab, worauf er das edle Tuch dezent hüstelnd um seinen Hals schlingt. Seitens der anderen Gäste, allesamt sommerlich leicht bekleidet, kommen amüsierte Blicke. Eine etwas peinliche Situation, die Sie meistern, indem Sie die Jacke trotzig solidarisch extra straff um Ihren Oberkörper zurren. Sollen die blöd schauen. Die sind nur neidisch, weil sie niemanden haben, der sich um sie kümmert.
    Bald folgt die erste Nacht. Glücklich ermattet von leidenschaftlicher Liebe, würden Sie sich gerne in seine Arme kuscheln. Leider nein, denn plötzlich sitzt er, den Rücken gegen drei senkrecht drapierte Kissen gestützt, kerzengerade im Bett. Zwerchfellhochstand. Nie gehört. Er erklärt Ihnen die Problematik, und Sie danken Gott, dass Sie persönlich nicht an Zwerchfellhochstand leiden. Wie Sie so neben ihm liegen, registrieren Sie in der nächtlichen Stille ein Surren und ein Summen. Es handelt sich um ein ausgeklügeltes System von Luftbefeuchter, Elektrosmog-Transformer und Ventilator. So stellt Ihr Mann das ganz spezielle Raumklima her, das er benötigt, um seinen

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