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Falsche Froesche

Falsche Froesche

Titel: Falsche Froesche
Autoren: Sandra Schoenthal
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zur Absage zwang. Leider Gottes, ein bisschen Einkommen könnte nicht schaden. Statt in die Arbeitssuche investiert er alle Energie in die Erkundung seiner schwankenden Stimmungen. Und wenn das Psycho-Barometer im gestörten Oberstübchen signalisiert, dass das geplante Abendprogramm nicht mit seiner momentanen Befindlichkeit harmoniert, springt er beinhart ab. Ihre Freunde zeigen Verständnis und akzeptieren die Unberechenbarkeiten, weil Sie beide, wenn Sie gemeinsam auftreten, so entzückend glücklich und verliebt sind. Ja, Sie lieben ihn, immer noch. Und er, soweit er kann, liebt Sie.
    Die widerliche Unzuverlässigkeit in den quasi guten Zeiten macht Ihnen mehr zu schaffen als die Beziehungspausen. Zwar verursacht das Anspringen Ihres Faxgerätesautomatisch einen Magenkrampf, doch nachdem Sie den wirren Text zum zehnten, elften, zwölften endgültigen Abschied überflogen haben, überkommt Sie ein Hauch von Erleichterung. Vor Ihnen liegen stressfreie Tage und ungestört durchschlafene Nächte.
    Das einjährige Jubiläum Ihrer Beziehung naht. Man befindet sich in einer dermaßen harmonischen Phase, dass Sie es wagen, zur Feier des Tages ein lauschiges Dinerà deux zu planen. Er freut sich wie ein Kind und löchert Sie mit Fragen, doch verraten Sie weder das Menü noch das Überraschungspräsent. Sie kochen viergängig, schmücken den weiß gedeckten Tisch mit rosa Rosen und roten Kerzen. Wickeln die dunkelblaue Weste, die ihm in der Auslage so gut gefallen hat, in roséfarbenes Seidenpapier und basteln eine riesengroße rote Schleife. Als Sie eine Viertelstunde vor dem Eintreffen Ihres Geliebten »La Traviata« im C D-Player einlegen, läutet das Telefon. Ein toller Auftrag, er muss sofort mit der Arbeit beginnen, es tue ihm leid, man könne ja ein anderes Mal feiern.
    Jetzt endlich haben Sie genug. Hoffen Sie. Doch kocht er Sie aufs Neue ein, mit Engelszungen fleht er um Verzeihung, erkennt und bereut seine Fehler und schafft es zum ersten Mal, seine Liebe in Worte zu fassen. Sie werden weich. Und weil Sie Idiotin immer noch eine Perspektive sehen und Ihr Urlaub, wie er seit Monaten weiß, vor der Türe steht, schlagen Sie vor, ein paar Tage gemeinsam wegzufahren. Leider nein. Nicht dass Sie mit einer Zusage gerechnet hätten, aber die Begründung, die er diesmal liefert, macht den letzten Rest von Zuversicht zunichte.
    Das Unterfangen scheitert weder an der Bereitschaftspflicht des in permanenter Existenzangst lebenden Freiberuflersnoch am chronischen Geldmangel, sondern daran, dass er einen Monat zu seiner Schwester nach Kalifornien fliegt. Zeitgleich zu Ihrem Urlaub.
    Das ist nicht zu verkraften. Keine gottverdammte Einladung schafft er, und Sie haben das auch noch verstanden. Vier Wochen Abwesenheit hingegen sind plötzlich kein Problem. Nicht ein einziges Mal hat er im Restaurant die Rechnung übernommen, und Sie haben selbstverständlich Ihren Teil bezahlt. Einen Transatlantikflug kann er sich locker leisten.
    Sie verpflanzen sich an einen See. Zwischen Trauer und Liebe und Angst beginnen Sie, sich seelisch und körperlich wieder aufzumöbeln. Erst hier in der Einsamkeit erkennen Sie, wie ausgelaugt Sie sind. Sie wandern, schwimmen, joggen. Grübeln, weinen, lesen. Den Schmerz zu besiegen, gelingt nicht. Doch als am Tag seiner Rückkehr aus Kalifornien die geliebte Nummer auf Ihrem Handydisplay erscheint, heben Sie nicht mehr ab.

Der Egomane
    Die Menschen sind veränderlich,
nur einen mag wohl niemand: dich.

Frank Wedekind
    FALLE
    Er schenkt Ihnen sein Vertrauen.
    HIMMEL
    Danke. Einen solchen Mann zu treffen, hatten Sie nicht mehr erwartet. Ohne Scheu, vollkommen ungeschminkt, breitet er sein Seelenleben aus. Überrascht und tief beeindruckt ziehen Sie den Hut. Wer besitzt die Stärke, Schwächen so furchtlos zu benennen. Was haben Sie sich an anderen die Zähne ausgebissen im fruchtlosen Bemühen, polierte Fassaden zu durchbrechen. Hier müssen Sie nicht forschen und nicht bohren, er öffnet sich ganz von alleine, diesen Mann hemmt kein Tabu. Er legt sie Ihnen zu Füßen, seine Ängste, seine Zweifel, seine Misserfolge.
    Sogar die Wunden, die ihm als Kind geschlagen wurden, lässt er Sie betrachten. Was er über die Kälte seiner Mutter, die Gleichgültigkeit des Vaters erzählt, über das schmerzliche Wissen, im Gegensatz zu den beiden Geschwistern unerwünscht gewesen zu sein, treibt Ihnen Tränen in die Augen. Staunend fragen Sie sich, wie man eine dermaßen verunglückte Kindheit gesund überstehen
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