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Falsche Froesche

Falsche Froesche

Titel: Falsche Froesche
Autoren: Sandra Schoenthal
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chronischen Bronchialkatarrh in Schach zu halten. Sie kichern und klopfen ihm mit dem Zeigefinger an die Stirn, denn vor wenigen Minuten noch schien er recht gesund zu sein. Beleidigte Miene. Er sei sehr krank. Er wolle aber nicht darüber reden. Stattdessen schläft er in Sekundenschnelle wieder ein.
    Sie lauschen seinem regelmäßigen Atem und verspüren Durst. Als Sie in die Küche gehen, um ein Glas Wasser zu trinken, und das Licht anknipsen, starren Sie auf eine Apotheke. Pillen, Lutschtabletten, Salben, homöopathischeWässerchen, Vitaminbrausen und drei Hightech-Fieberthermometer bedecken die gesamte Arbeitsfläche. Sie schwanken zwischen Mitleid und Entsetzen und verschlucken sich beim Wassertrinken. Vom Hustenanfall aus dem Schlaf gerissen, eilt er herbei, klappt Sie vornüber, klopft Ihnen kräftig auf den Rücken und verabreicht zum Abschluss der Behandlung einen Schleimhautsaft. Seine rührende Fürsorglichkeit verdrängt Ihr instinktives Unbehagen. Stattdessen überfällt Sie heftiger postkoitaler Heißhunger. Sie möchten sich bitte nach Herzenslust bedienen, der Kühlschrank sei voll, er selbst müsse dringend zurück ins Bett.
    Sodbrennen, presst der Arme hervor, bevor er, ein Rülpsen tapfer unterdrückend, in Richtung Schlafzimmer abgeht. Als Sie ihm hinterherblicken, fragen Sie sich, wie ein dermaßen auf seine Gesundheit bedachter Mann zu diesem beachtlichen Übergewicht kommt. Die Muskelpakete, die Sie unter seinen Anzügen zu orten vermeinten, sind, wie Sie heute Nacht ertasten konnten, prinzipiell vorhanden, allerdings von einer Fettschicht flächendeckend überlagert.
    Die Antwort gibt der Kühlschrank: Coca-Cola, Himbeersirup, Speck, Salami, Mayonnaise, Käse, Schokoladenpudding. Während Sie ein Speckbrot schmausen, verwerfen Sie die Idee, ihn in Sachen Cholesterin zu warnen. Der Mann macht sich schon Sorgen genug.
    Sie gehen zurück ins Schlafzimmer, wo ein zartes Schnarchen Ihnen verkündet, dass Zwerchfellhochstand wie Sodbrennen vorläufig gebannt sein dürften. Die Sorgen, die seine diversen Beschwerden Ihnen bereiten, verwerfen Sie. Liebe ist die beste Medizin. Leise kriechen Sie ins Bett und legen sich neben Ihren unter einer dickenDaunendecke vergrabenen Geliebten. Ein schwerer Seufzer, hoffentlich haben Sie ihn nicht geweckt, doch dann schließt er Sie fest in seine Arme. Alles ist gut. Sie schlafen ein, behütet wie ein Kind.
    HÖLLE
    Eines Abends ruft er an, und seine Stimme lässt das Blut in Ihren Adern stocken. Er sei in der Klinik, keucht er kaum hörbar, soeben eingeliefert, ein Unfall, ob Sie bitte kommen könnten. Schon sitzen Sie im Auto, rasen zum genannten Krankenhaus, kommen mit quietschenden Reifen im absoluten Halteverbot zum Stehen und stürzen in den Wartesaal der Unfallambulanz. Hier ist er nicht. Die Menschen, die mit Blut verkrusteten, notdürftig verbundenen Köpfen, Armen und Beinen in ihren Sesseln hängen, wirken so, als harrten sie schon lange aus. Woraus Sie schließen, Lovers Verletzung müsse dermaßen gravierend sein, dass man ihn den anderen Patienten vorgezogen, womöglich gar in den OP verfrachtet habe.
    Panisch steuern Sie das Arztzimmer an und hören von drinnen noch die Worte »zwei Tage leichte Schonung, dann wieder normal gehen«, bevor die Tür sich öffnet und der Verunglückte Ihnen entgegenhumpelt. Er hat sich bei der Karambolage mit seiner Badezimmertür die mittlere Zehe des linken Fußes gebrochen.
    Wie man es schafft, bei dieser Lappalie per Rettungswagen transportiert zu werden und sich obendrein in einem Wartesaal, randvoll mit ernsthaft lädierten Patienten, vorzudrängen, ist Ihnen ein Rätsel.
    Nach der Woche Bettruhe, die der Arzt ihm angeblich strengstens verordnete, gelüstet es Ihren Lover nachfrischer Luft. Er wolle langsam ins Leben zurückkehren. Sie entwerfen eine Landpartie und holen ihn von zu Hause ab. Die Freude auf den gemeinsamen Spaziergang stirbt, als sie ihn auf die Straße treten sehen. An Krücken, mit schmerzverzerrtem Gesicht kommt der Leidende zu Ihrem Auto gekrochen, um sich schließlich unter heftigem Gestöhne auf den Beifahrersitz zu hieven. Mit dem ersehnten Mitleid können Sie nicht dienen. Selber schuld, der Fettsack. Bei dem Übergewicht würden Sie auch schnaufen wie ein Nilpferd. Kommentarlos pfeffern Sie die Gehbehelfe auf die Rückbank und starten.
    Die Sonne brennt aufs Dach, das Wageninnere mutiert zur Sauna. Nach Verlassen der Stadt kommen Sie auf die wahnwitzige Idee, ein Fenster zu öffnen. Der
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