Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fallkraut

Fallkraut

Titel: Fallkraut
Autoren: Lucette ter Borg
Vom Netzwerk:
verwandelte. Wenn ich davon erzählte, konnte er mich mit halb offenhängendem Mund ansehen und einem Blick, der mich an leere Schalen erinnerte.
    Heimweh habe ich nicht mehr. Im Sommer sitze ich im Garten, schließe die Augen und lausche den Spatzen, der Drossel und den Holztauben in der Ferne, dem Summen der Hummeln in den Stockrosen. Warum sollte ich mich in den Trubel begeben, die Ferienstaus auf der Autobahn, die vollen Hotels, wo im Fahrstuhl immer Gedränge herrscht, ganz zu schweigen vom schlechten Essen?
    Als Sigrid mich einlud mitzufahren, habe ich mir deshalb ein paar Tage Bedenkzeit erbeten.
    Verreisen.
    Nichts mehr für mich.
    Urlaub.
    Interessiert mich nicht mehr.
    Doch Sigi erträgt das Alleinsein nicht so gut.
    Ich habe immer Urlaub im eigenen Haus.
    Hat Sigrid nie gekonnt.
    Ich mag die Gute nicht enttäuschen. Arbeitet so hart, hat eine Karriere, aber schwer! Ab und zu muss sie mal Dampf ablassen.
    Und bei wem kann sie das besser als bei ihrer Schwester?
    Ich wollte nicht einfach alles fallen lassen. Ich musste den Schülern absagen. Jemand für die Pflanzen. Jemand, der die Post aus dem Briefkasten holt. Diebe sind schlau: Sie gucken, ob sich der Briefkasten in den Sommermonaten füllt, und dann schlagen sie zu.
    Die Schorredijkjes haben versprochen, sich um die Post und die Pflanzen zu kümmern. Die Schüler haben von selbst abgesagt. Sie fahren auch in den Urlaub. Also habe ich mich gestern von meinem Haus und all meinen Sachen verabschiedet, gut verabschiedet. Denn wenn ich das nicht getan hätte, würde der Zug vielleicht mit einem anderen zusammenstoßen, würde ich in einen Abgrund stürzen oder krank werden von einem verdorbenen Schweinekotelett oder einer alten Regenbogenforelle.
    Bei der Heimkehr würde ich die leicht klemmenden Küchenschränke aufziehen. Ich würde die Töpfe, die Teller und das Besteck durch meine Finger gleiten lassen. »Da bin ich wieder, meine lieben Dinge. Habt ihr mich vermisst?« Im Schlafzimmer würde ich die Vorhänge öffnen, das Fenster zum Garten aufstoßen und den Duft der frisch gewaschenen Laken einsaugen, die ich vor der Abreise auf meinem Bett bereitgelegt habe. Die Tauben, die morgens auf dem Dachfirst scharren, würden sich freuen. Die Amsel, die in der Zierjohannisbeere wohnt, würde froh angesaust kommen, sobald ich den Garten beträte.
    So würde es sein. So eine Heimkehr machte die Reise doch jetzt schon zu einem vollen Erfolg? Und außerdem würde es für Sigrid herrlich sein, so ein Ausflug.
    Ja, ich würde das liebe Mädchen Brigit festlich empfangen. Zusammen Tee trinken auf dem roten Samtsofa im Wohnzimmer. Gemütlich nebeneinander. Brigit über die langen Schulferien plaudernd, die nun, da sie ihr Abitur geschafft hatte, bevorstanden, und zwischendurch würde ich sie auf die gemalten Rosen und die glänzenden Goldränder an den Tassen und Untertassen des Meisseners hinweisen. Wir würden über den Schwan lachen, der vom Henkel aus in den Rand der Tasse biss, und wenn die Teekanne leer wäre, würde ich Brigit die zwei gekreuzten blauen Schwerter auf dem Boden zeigen. Man musste die Sachen schließlich immer umdrehen, um den wirklichen Wert einschätzen zu können.
    Ich ging zum Büfett und holte zwei Tassen. Mit einem Geschirrtuch rieb ich das Porzellan blank und stellte die Tassen auf ein Tablett. Dann nahm ich die Zuckerdose und füllte sie mit Würfelzucker, das Milchkännchen mit Milch. Neben die Zuckerdose legte ich eine silberne Zuckerzange. Ich schüttete ein paar Schokoladentaler in ein Schälchen und drapierte selbstgebackene Mandelplätzchen darum herum. Ich rückte das Ergebnis zurecht und leckte mir die Krümel von den Fingerspitzen. Nur noch die Teekanne. Die musste mit heißem Wasser ausgespült werden, so schmeckte der Tee am besten.
    Â»Was für Tee trinkst du gern, Mäuschen?«, rief ich Brigit im Wohnzimmer zu.
    Â»Ist mir egal«, rief sie zurück. »Was Sie selbst gern trinken, Frau van Snitten!«
    Â»Was ich selbst gern trinke?« Ich griff drei Dosen vom Regal, schraubte sie auf und schnupperte. »Ihr nicht«, sagte ich zu den schwarzen Blättchen. »Ihr seid fürs Frühstück. Und ihr auch nicht, zu stark.« Schließlich entschied ich mich für den teuersten Tee, den ich im Haus hatte, Darjeeling, und gab drei Teelöffel davon in die Kanne. »Einen für mich,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher