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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten
Autoren: Gemma O'Connor
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Stadt zu schleppen, dachte der Fahrer schicksalsergeben und unterdrückte ein Lachen. Er deutete zu einem leeren Taxistand auf der anderen Seite des Platzes. »Da drüben. Warten Sie einfach dort, da kommt bestimmt gleich eines.« Er beobachtete, wie sie mit unsicheren Schritten über das Kopfsteinpflaster des Gloucester Green zu dem Taxistand ging; die Pfauenfeder auf der winzigen Pillbox wippte im Gleichtakt mit ihren eleganten Schuhen.
    Als sie dem Taxifahrer sagte, wohin sie wollte, machte er eine kleine Stadtrundfahrt mit ihr, obwohl er kaum etwas über die Universität wußte. Sie war enttäuscht, daß er nur eine äußerst oberflächliche Vorstellung davon hatte, welches College welches war, und außerdem keine Ahnung, wo sich die Bibliotheken befanden, nach denen sie ihn fragte. Er behauptete sogar steif und fest, es gäbe »nur die eine«, die sich als die städtische Bücherei und nicht die Quelle ihrer Information entpuppte. In ihrer Tasche tastete sie nach dem Brief und zog ihn heraus: Bodleian library, University of Oxford, verkündete der gedruckte Briefkopf des verbindlichen Schreibens.
     
    Wie Sie vermutlich wissen, arbeiten Buchbinder und Restauratoren in zahlreichen unserer College-Bibliotheken. Ihre Beschreibung hat mich jedoch neugierig gemacht – ich würde mich freuen, wenn jemand mich mit so schmeichelhaften Worten beschriebe. Sie erwähnen Merton Street und The High; daher würde ich mit dem Tradescant und dem Drapier College anfangen. Mr. Garnier vom Drapier kommt Ihrer Beschreibung am nächsten. Falls Sie dort kein Glück haben, schauen Sie einfach hier vorbei, dann überlegen wir weiter. Die Bodley ist auf der Broad, neben dem Sheldonian Theatre.
     
    »Ich glaube, sie ist in der Broad Street«, meinte sie zaghaft. Der Taxifahrer sträubte sich mit allem Nachdruck dagegen und meinte, sie hätte sich wohl getäuscht, aber schließlich überredete sie ihn, vor dem Gebäude anzuhalten. Er fragte, ob sie hineingehen wolle.
    »Nein, danke. Ich wollte sie nur sehen«, erwiderte sie lebhaft. Das nächste Mal, versprach sie bei sich selber, falls es ein nächstes Mal gab, würde sie hineingehen und dem netten Bibliothekar für seine Hilfe danken. Das heißt, falls die Information sich als zutreffend erwies.
    Als Mrs. Gilmore schließlich bei dem zweiten College in ihrer kurzen Liste anlangte, kam sie zu dem Schluß, daß nicht alle Bewohner Oxfords so hilfsbereit waren wie ihr Briefpartner von der Bibliothek. Gerade hatte sie eine nutzlose Stunde damit verplempert, durch die Bibliothek des Tradescant College zu wandern. Daß sie uralt und wunderschön war, bezweifelte sie nicht. Daß sie seltene Schätze barg, war selbst für jemanden, der sich so wenig mit Gelehrsamkeit auskannte wie sie, offenkundig. Daß sie nicht den Schatz enthielt, nach dem sie suchte, war ihr innerhalb einer Viertelstunde klar geworden. Die restliche Dreiviertelstunde hatte sie mit dem Versuch verbracht, sich von der Gruppe amerikanischer Akademiker und vor allem von einem zudringlichen, weitschweifig daherplappernden Professor aus Boston loszueisen, die an einer Führung durch die Bibliothek teilnahmen. Es war fast zwei Uhr, als sie durch die Tore des Drapier College schritt.
    Der Pförtner war jung und hatte keine Ahnung; er gab zu, nichts über die Bibliothek und die Leute, die dort arbeiteten, zu wissen. Ihre Fragerei ging ihm schnell auf die Nerven, daher schickte er sie zum Sekretariat des Colleges. Der Empfang dort fiel eindeutig kühl aus.
    »Leider ist im Augenblick niemand da, der Sie durch das College führen könnte. Außerdem ist die Bibliothek ohnehin für Besucher nicht zugänglich, außer sie sind angemeldet.« Die gelangweilte Sekretärin machte den Eindruck, als sei das Leben ein ständiges Ärgernis. Über den Rand ihrer Halbbrille hinweg musterte sie Mrs. Gilmore. Diese erwiderte ihren Blick gelassen, während sie im Geist das unpassend lange Haar abschnitt und das geblümte Wickelkleid in die Ecke feuerte. Ein Hauch von Make-up würde diesem verbitterten Gesicht unglaublich guttun, dachte sie – nicht aus Bösartigkeit, sondern aus Gewohnheit. Ein gut sitzender BH und ein auf Figur geschneidertes Kostüm, wie ich es im Handumdrehen für dich nähen könnte überlegte sie weiter, würden Wunder wirken. Mrs. Gilmore war eine Zauberin mit der Nadel und verdiente nicht schlecht als Maßschneiderin für Kleider und Kostüme. Auch für Abendkleider hatte sie eine geschickte Hand.
    »Hat Ihnen das der
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