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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 15 Der Zauberer und das Mädchen

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 15 Der Zauberer und das Mädchen

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 15 Der Zauberer und das Mädchen
Autoren: Martin Clauß
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hatte sich über ein Buch gebeugt und schrieb etwas auf einen Schreibblock. Gedankenverloren rieben sich ihre Füße aneinander. Erst, als er im Zimmer war, sah sie auf. Sie war so hübsch wie auf dem Foto und trug ihre Haare ebenso offen. Doch von ihr ging nichts Einladendes aus. Nichts von dem, was er erwartet hatte. Sie erschrak sogar, als sie ihn sah.
    „ Oh “, machte sie. „ Sie … isch dachtö … Sie klopfön wie … “
    Samuel schluckte. „Verzeihen Sie, wenn Sie mich verwechselt haben. Sie haben jemanden erwartet, nicht wahr?“
    Sie nickte.
    „Mein Name ist Samuel Rosenberg. Ich bin der Sohn von Meir Rosenberg.“
    Sie stand auf, blickte ihn mit großen Augen an und reichte ihm die Hand. Sie war kalt. „ Sähr erfreut. Isch ’abö ihren Vatär nischt gesehn lange. “
    „Ja. Er ist tot.“
    „ Tot? “ Sie ließ seine Hand los und fiel auf den Stuhl zurück, so heftig, dass das Möbel trotz ihres geringen Gewichts ein bedenkliches Knarren von sich gab. Er sah jetzt, wie dünn sie wirklich war. Ihre Finger wirkten wie aus feinem Porzellan, ihre Züge waren ebenmäßig, aber kantig und schmal. Sie setzte zu einer Bemerkung an, brachte jedoch keinen Ton hervor und bat ihn mit einer Geste, sich auf den zweiten Stuhl niederzulassen. Als er sich setzte, erkannte er, dass der Inhalt des aufgeschlagenen Buches in französischer Sprache abgefasst war. Die handschriftlichen Notizen waren in Deutsch, mit vielen Schreibfehlern durchsetzt. Offenbar übersetzte sie das Buch.
    „ Sie kommön … für die Miete? “
    Samuel atmete tief aus. „Ich wollte mir das Haus ansehen, die Mieter kennen lernen. Mich vorstellen.“
    „ Isch bin Charmaine Morice “, sagte sie. „ Aber das Sie wissön schon, odär? “
    „Ja.“ Wusste sie, dass er ihr Foto hatte? Er sah sich um. Ihm fiel plötzlich nichts mehr ein. Unwillkürlich las er die Aufschriebe, die sie gemacht hatte. Trotz der vielen Fehler und der Tatsache, dass sie von ihm aus auf dem Kopf standen, konnte er ihre große, gleichmäßige Schrift gut erkennen.
    Die zweit Grupe umfast Lichterschainungen, nähmlich die Erzeugung von Phenomene, Ungeformt Licht- und Glantz Erschainungen. Leuchtenden formen von grosser Deutligkeit.
    Was für ein Buch war das?
    „ Sie müssön sähr … traurisch sein “, sagte sie. Seine Rechte lag auf dem Tisch, und sie legte die ihre sanft darauf. Als er zurückzuckte, nahm auch sie ihre Hand wieder zu sich.
    „Traurig und verwirrt“, gestand er. „Ja, das bin ich.“
    „ Bleibön Sie ein Moment. “
    „Bitte?“
    „ Bleibön Sie ’ier. Isch kann machen, dass es Ihnön gäht gut. “
    „Wie meinen Sie … das?“
    „ Ihrö ’and … “
    Sein Herz klopfte, als er seine Hand wieder auf die Tischplatte legte. Sie platzierte die ihre darüber, schloss die Augen. Ihre Hand war so leicht, dass er sie kaum spürte. Es war mehr, als drücke ein Wind dagegen, ein kühler Windhauch.
    „Sie erwarten jemanden“, sagte er und räusperte sich mehrmals. „Ich glaube, ich werde jetzt wieder gehen. Was die Miete angeht, werde ich …“
    „ Sst! Still … “
    Er fühlte, wie er die Spannung aus seinem Körper wich. Es war so deutlich spürbar, dass er beinahe den Eindruck hatte, ihm würde etwas gestohlen. Eine wärmende Ruhe breitete sich in ihm aus – keine stumpfe Empfindungslosigkeit, wie sie Alkohol, Medikamente oder schlichte Erschöpfung hervorrufen können, sondern eine tiefe Geborgenheit und Befriedigung. Dieses Gefühl hatte er schon seit langer, langer Zeit nicht mehr gehabt. Er hatte nicht einmal geglaubt, dass er es je wieder haben würde.
    „Was machen Sie? Charmaine …“
    „ Isch tuö nischts. Sie tun es selbär. Isch gebe nur Anleitung. “
    „Aber …“
    „ Sprechön Sie nischt. “
    Noch immer hielt sie die Augen geschlossen, und er starrte immerzu auf ihre schmale Hand, die auf der seinen lag.
    Minuten später verabschiedete er sich mit einer leichten Verbeugung von der Französin, ohne dass sie noch ein Wort miteinander gewechselt hatten. Er trat aus der Wohnung hinaus und stieg die Treppe hinab.
    Erst, als er schon im ersten Stock angekommen war, fiel ihm auf, dass er keine Höhenangst gehabt hatte. Am Kopf der zweiten Treppe blieb er stehen und sah hinunter, versuchte sich zu erinnern, was für ein Gefühl es gewesen war, Panik zu empfinden, aber es war ihm vollkommen unverständlich, wie man in einer solchen Situation Schwindelgefühle, Herzrasen oder Schweißausbrüche bekommen konnte. Eine Treppe
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