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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer
Autoren: Martin Clauß
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erfüllte ihn. Ein Kribbeln und Rütteln, als wäre sein Körper ein Zusammenschluss mehrerer Wesen, die sich rieben, sich aneinander klammerten und voreinander zurückwichen.
    Irgendwann öffnete er die Augen.
    Als erstes sah er die Fußabdrücke seiner Verfolger in der Blutlache, die er vor der Hütte zurückgelassen hatte. Sonst gab es keine Spur von ihnen.
    Sie hatten die Flucht ergriffen.
    Aber warum?
    Olaf Springer würde es erst später verstehen, viel später, als er sich in einem Spiegel sah.

7. Theater
    Artur war versucht, die Treppe nach unten zu nehmen. Dann überlegte er es sich anders. Es war der naheliegende Fluchtweg – vielleicht war er bewacht. Er wusste nicht, was hier vor sich ging, aber falls Frederik, Janina und Carina ihn tatsächlich in eine Falle gelockt hatten, gehörten möglicherweise noch weitere Leute zu ihnen. Bestimmt hatte man Wachen aufgestellt, die seine Flucht vereiteln sollten.
    Er wandte sich nach rechts, wo es nur den finsteren Korridor gab. Es war ein scheußliches Gefühl, in die Dunkelheit hinein zu fliehen, ohne zu wissen, was einen erwartete, aber wahrscheinlich war es klüger als die Treppe zu nehmen.
    Er hörte, wie die Tür zum Balkon krachend aufflog.
    Man verfolgte ihn.
    Man. Carina. Nein, das Monstrum aus Finsternis, das sie gefressen hatte.
    Artur stolperte mit ausgestreckten Armen weiter. Eine Hand hielt er nach vorne gerichtet, um im Dunkeln nicht gegen ein Hindernis zu stoßen. Die andere ließ er über die Wand schleifen – sobald der Gang eine Biegung machte, musste er es wissen.
    Keine fünfzehn Meter war er gerannt, als seine vorgestreckte Hand einen schmerzhaften Stoß erhielt. Es war mehr als nur ein Hindernis, gegen das er geprallt war. Überrascht griff er um sich, kniff die Augen zusammen, um wenigstens Schatten zu erkennen. Hier ging es nicht mehr weiter! Der Korridor war zu Ende, und es gab keine Abzweigung, keine Tür, kein Fenster. Der einzige Weg, der aus dieser Sackgasse hinausführte, war der Weg zurück.
    Artur fuhr zusammen. Seine Hand hatte etwas entdeckt. Einen Schalter. Als er ihn drückte, glomm eine schwache, gelbe Lampe auf. Sie steckte in einem lädierten Kunststoffschirm, der schräg aus der niedrigen Decke ragte.
    Alles, was er tun konnte, war in den Gang zu starren.
    Der andere war da. Kam näher.
    Ein Mann, dunkel, aber nicht vollkommen schwarz. Es sah nicht so aus, als trage er Kleidung. Seine Haut hatte einen seltsamen Glanz, wie der von lackiertem Holz oder Leder, dunkle Farben zogen exotische Muster über seinen nackten Leib, und selbst seine Haare schienen aus demselben Material zu bestehen. Es war eindeutig keine Rüstung, die er trug. Dieser unmögliche, unmenschliche Körper bewegte sich wie der eines gewöhnlichen Mannes.
    Doch das war noch nicht das Schlimmste.
    Der Körper des Fremden war nicht in Ruhe. Eine Aura aus flirrender, zitternder Bewegung hüllte ihn ein. Unzählige Gesichter tauchten für Sekundenbruchteile auf dem seinen auf, Gesichter von Männern und Frauen flimmerten wie in einem experimentellen Film über seinen Kopf. Und es beschränkte sich nicht nur auf sein Gesicht – sein gesamter Leib war wie eine Leinwand, auf die mit schwindelerregender Geschwindigkeit Dutzende verschiedener Menschen projiziert wurden. Seine Hände schienen zu flattern von den unterschiedlich großen Händen, die für flüchtige Augenblicke dort erschienen, sein Körper war wie in ein oszillierendes Kostüm gehüllt, das aus den Projektionen von Menschen gefertigt war.
    Unwillkürlich suchte Artur nach einem versteckten Projektor, der einen Film auf diesen Mann warf. Aber je näher das Wesen kam, desto deutlicher war zu sehen, dass die Menschen, die den Körper umflirrten, tatsächlich drei Dimensionen hatten und jede seiner Bewegung mitmachten.
    Artur war sich nicht sicher, aber er hatte den Eindruck, kurz Janina gesehen zu haben, und dann Carina mit ihrem opulenten Abendkleid und den nicht weniger üppigen Rundungen. Waren sie alle eins, alle in diesem einen Körper versammelt?
    „Was bist du?“, zischte Artur. Seine linke Hand fuhr in seine Hosentasche und schloss sich um den Bernstein. Im Inneren des Steins waren drei Mücken und ein Schutzengel. Gefangen. Nutzlos. Unerreichbar.
    „Ich bin deine Zukunft“, antwortete das Wesen. Seine Stimme war wie sein Äußeres. Vielgestaltig, unstet, uneinheitlich. Zahllose Stimmen legten sich übereinander, schwangen im Hintergrund oder drängten an die Oberfläche. Hätte die Furcht
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