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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer
Autoren: Martin Clauß
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seine Emotionen nicht dominiert, wäre Artur fasziniert gewesen.
    „Eine solche Zukunft will ich nicht“, hielt er dagegen. Er stand aufrecht, hielt Abstand von der Wand. Er wollte nicht aussehen, als wäre er in die Enge gedrängt worden.
    „Und warum nicht, Artur?“ Das Geschöpf war stehen geblieben. Vielleicht sollte das ausdrücken, dass es ihm nicht drohen wollte, keine Gefahr für ihn darstellte. Genau das nahm Artur ihm nicht ab. „Du bist fast schon einer von uns“, sprach der Unheimliche weiter. Falls seine Worte sanft klingen sollten, wurde diese Absicht durch den schaurigen Chor in seiner Stimme ad absurdum geführt. „Deine Persönlichkeit ähnelt den unseren. Du bist wie Frederik, wie Janina und Carina ... und wie all die anderen, die du noch nicht kennen lernen konntest.“
    „Und was habe ich mit ihnen gemein?“
    „Du bist auf der Suche. Dir fehlt etwas. Du bist nicht komplett. Das ist es, was uns alle hier gemein ist. Da wir nicht komplett sind, können wir uns leichter verbinden. Unsere Schwäche ist gleichzeitig unsere Stärke. Kein Mensch könnte sich uns anschließen, der bereits vollständig ist.“
    Artur fühlte den Bernstein in seiner Hand. Nicht komplett. Ja, das traf auf ihn zu. Seit er seinen Schutzengel verloren hatte, fehlte ihm ein wesentlicher Teil seiner selbst. Konnte dieses Wesen das spüren? War dies der Grund, warum Artur hierher gelockt worden war?
    Der flirrende Mann streckte seine Arme aus, und zu beiden Seiten schlüpften Gestalten aus ihm heraus. Es waren Menschen, zwei Männer, einer alt, einer jung. Sie sahen ihn an – in ihrem Blick war kein Hass, keine Drohung. An jeweils einer Hand waren sie mit dem Geschöpf in ihrer Mitte verbunden, aus dem sie entstanden waren. Nach einigen Sekunden wurden sie wieder von ihm aufgesogen. Neue Menschen traten aus ihm heraus und kehrten wieder in ihn zurück. Es hatte etwas Tänzerisches, Harmonisches ...
    „Das sind keine Trugbilder“, sagte das Wesen. „Sie alle sind echte, lebendige Menschen, die in uns Trost gefunden haben. Noch viel mehr können Trost in uns finden – viele suchen nach uns und finden uns nicht, weil sie nicht wissen, was es ist, das sie suchen.“
    „Wie Frederik?“
    „Frederik hatte eine wichtige Seite seiner Persönlichkeit stets unterdrückt und nach einem Ich gesucht, das es für ihn nicht gab.“ Sprach er von der Homosexualität des Studenten?
    „Frederik hat die Funktion, neue Opfer zu suchen, nicht wahr?“
    „Alle halten sie Ausschau“, erwiderte das Wesen ungerührt, als kümmere es die offene Anschuldigung in Arturs Worten nicht. „Menschen, die etwas suchen, gehen in Bistros. In Erwachsenenkinos. In Theater. Und an viele andere Orte. Dort sind auch wir. Natürlich können wir nicht überall gleichzeitig sein. Wir haben nur einen Körper.“
    Während Artur betrachtete, wie immer neue Menschen aus ihm entstanden und wieder in ihm versanken, ließ er die Begegnungen mit Frederik, Janina und Carina Revue passieren. Frederiks untere Körperhälfte war hinter der Theke verborgen gewesen. Ähnliches galt für Janina, die in der winzigen Kammer des Pornokinos kaum zu sehen gewesen war. Und Carina war er in dem finsteren Balkon dieses Theaters begegnet. Tatsächlich konnte dieses Wesen immer dabei gewesen sein, ohne dass es ihm auffallen musste. Es hatte sich stets an ihrem Fußende verborgen, in den Schatten ...
    Jetzt begriff er auch, warum Janina das letzte Wort so seltsam betont hatte, als sie über sich und Frederik sagte: „Wir gehen ab und zu ins Theater. Zusammen .“ Frederik und sie waren immer zusammen. Was sie auch taten, wo sie auch hingingen, sie konnten es nur gemeinsam tun. Und gemeinsam mit diesem Wesen ...
    „Licht“, erklang die vielfältige Stimme erneut, „verleiht den Schatten eine Form. Wir mögen Orte wie diese. Theater – Kinos – Lichtspiele – Schattenspiele. Das Schattenspiel hat mich geboren. Olaf Springer, das war mein Name, als ich noch alleine und unfertig war, ein ruheloser Reisender. Das Licht sperrte ich in die Filme meiner Kameras. Aber die Schatten – die Schatten lernte ich erst später kennen. Ich weiß nicht, ob Schatten brennen können. Aber die Dinge, die Schatten werfen, können in den Flammen vergehen, und Olaf Springer war der einzige, der sie retten konnte. Die Puppen selbst konnten dem Feuer nicht entgehen, doch ihre Schatten flohen in Olafs Inneres. Und das gab ihm Macht, noch mehr Suchende in sich aufzunehmen. Heute sind wir selbst
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