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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer
Autoren: Martin Clauß
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liegen.
    Der Deutsche war gegen die Seitenwand der Hütte geknallt, und sie war erschüttert worden. Da Olaf für einen Moment befürchtete, die Holzkonstruktion könne in sich zusammenfallen, achtete er zu spät auf die rollenden Kerzen. Die Strohmatten hatten bereits an zwei Stellen Feuer gefangen.
    Was Olafs Verfolger nicht zu stören schien. Einer von ihnen trat in die Hütte, grinste. Er genoss es, sein Opfer in der Falle sitzen zu sehen. Innerhalb von Sekunden fraß sich das Feuer über das trockene Stroh, und das Fußende des Totenbettes ging beinahe explosionsartig in Flammen auf. Funken sprühten, und der Mann wich mit einem unwilligen Knurren zurück. Olaf konnte den Widerschein der Flammen in seinen Augen sehen. Die Miene des Einheimischen wurde immer bösartiger. Er hatte kein Interesse daran, den Deutschen den Flammen zu überlassen. Das Geld, das er in den Taschen hatte, würde zusammen mit ihm verbrennen.
    Das Feuer breitete sich in kleinen Schüben weiter aus. Zunächst beschränkte es sich auf das Totenlager, sprang Stück für Stück weiter in Richtung Kopf des Toten. Als die Flammen höher schlugen, begann die Decke der Hütte zu knarren und zu knistern.
    Olaf betrachtete das Geschehen wie gelähmt. Er sah, wie das Feuer die Leiche des Puppenspielers einhüllte. Der weiße Rauch, der sich in der Hütte sammelte, wurde dichter und dunkler. Schwarze Schwaden stiegen von dem toten Körper auf, der Gestank wurde beißender, die Sicht schlechter.
    Es ging so unglaublich schnell. Binnen weniger Sekunden hatte sich das Innere der kleinen Hütte in eine qualmende Hölle verwandelt. Olaf begriff schlagartig, dass er ersticken würde, ehe er verbrannte. Hinter dem Schleier aus grauem Rauch konnte er die Umrisse seines Verfolgers erkennen. Der Mann schien zurückzutaumeln.
    Wie kam Olaf hier heraus? War der Weg zur Tür frei? Oder konnte er die Hütte einreißen, wenn er sich mit aller Wucht gegen die Wand warf? Seine Gedanken wirbelten – er blieb für endlose Momente unschlüssig.
    Da veränderte sich etwas.
    Etwas bewegte sich im Inneren des Qualms.
    Gestalten mit langen Armen und großen Körpern. Scharfgeschnittene Gesichter mit langer Nase und schlangenartiger Frisur tasteten zwischen den zahllosen Vorhängen aus Rauch umher, als irrten sie durch ein Labyrinth, aus dem es kein Entkommen gab. Hilflos. Ziellos.
    Die Puppen.
    Das mussten Halluzinationen sein. Symptome einer Rauchvergiftung.
    Acht oder zehn dieser Wesen waren zwischen den Flammen auszumachen. So viele, wie eben noch an der Wand gehangen hatten. Die Wände schienen jetzt leer zu sein. Aber natürlich konnte er bei diesen Sichtverhältnissen nicht sicher sein.
    Das Feuer – es würde nicht nur den Leichnam fressen und die Hütte vernichten. Auch diese kunstvollen Puppen würden Opfer der Flammen werden. Wer vermochte zu sagen, wie alt sie waren? Wurden sie nicht von Generation zu Generation vererbt, waren sie nicht wesentlich älter noch als der Leib des dalang ? Älter als ...
    Die dünnen, scharfen Finger einer schwarzen Hand schoben sich aus dem Rauch, fanden den Weg aus dem Labyrinth des tödlichen Feuers ... zu Olaf. Der Deutsche presste sich gegen die Wand, als die Hand zu tasten begann. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte er die schattengleichen Finger. Eine schreckliche Angst durchflutete ihn, eine Panik, die schlimmer war als die Furcht vor dem Tod. Er wollte nicht, dass diese Hand ihn berührte.
    Sie tat es. Die Finger erreichten seine Brust und versanken darin.
    Olaf erwartete, nach vorn gerissen zu werden, doch genau das Gegenteil geschah.
    Das Wesen hielt sich irgendwo in ihm fest und zog sich an ihm aus dem Bereich des Feuers. Er glaubte es schreien zu hören. Aber es war kein akustischer Eindruck, sondern etwas Anderes. Er spürte es. Ja, er fühlte , dass es schrie. Es schrie in jede Faser seines Körpers hinein. Weitere Hände erschienen im Rauch, ertasteten ihn ...
    Seine Augen brannten, und er musste sie schließen. Plötzlich wusste er, dass er sterben würde, wenn er noch einen Moment zögerte. Olaf Springer hörte auf, sich gegen die Wand zu pressen, vor dem Grauen zu fliehen. Hustend stürzte er nach vorn, taumelte blind durch den Rauch und die Flammen. Auf die Tür zu.
    Ein Dutzend Finger hatten sich in ihn verkrallt, und er zog all diese Kreaturen mit sich hinaus ins Freie.
    Vor der Hütte brach er nieder, hustete, hustete, bis seine Kehle eine Masse rohen Fleisches zu sein schien. Ein merkwürdiges Gefühl
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