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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 12 Schattentänzer
Autoren: Martin Clauß
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hoffnungslos überschminkten Mund. Artur zeigte ihr die Karte, die er von Janina erhalten hatte.
    „Oh, ein Ehrengast“, hauchte die Frau, klimperte mit den langen Wimpern und machte einen ungelenken Knicks. „Von Frederik, nicht wahr?“
    „Genau“, erwiderte Artur und hob die Augenbrauen. „Ist er schon da?“
    „Er ist immer da, wo man ihn nicht vermutet“, orakelte sie. „Da vorne links die Treppe hoch, dann gleich wieder rechts. Der linke Balkon.“
    „Balkon? Ich wusste nicht ...“
    „Nur das Beste für Frederiks Gäste.“ Sie sagte es so, dass es sich reimte. Und schon hatte sie sich dem kichernden Pärchen zugewandt, das nach Artur hereingekommen war. Der größte Teil des Publikums schienen Stammkunden zu sein.
    Er ging an einem Ständer vorüber, in dem Postkarten, Prospekte und Werbezettel steckten, fand die linke Treppe und stieg sie hinauf. Unten hatten sich einige Grüppchen gebildet, die ins Gespräch vertieft waren, hier oben, wo die Treppe endete, war niemand mehr. Ein mit schwarzem Samt ausgekleideter Flur führte in die Dunkelheit. Es war ihm, als sehe er am Ende des Gangs die Umrisse einer Gestalt, doch er war nicht sicher. Er musste an das Sexkino denken. Die Atmosphäre hier war erschreckend ähnlich.
    Beinahe hätte er die Tür übersehen. In Messinglettern stand dort „Lin er Balko“. Die Tür ließ sich nach außen öffnen, und er trat ein. Der Balkon selbst verfügte über keinerlei Beleuchtung. Von der Bühne her, die erstaunlich nahe war, drang gedämpftes Licht herüber. Was er erkennen konnte, war, dass es zwei einfach gepolsterte Stühle gab, keiner davon besetzt. Artur ging zunächst bis zur Brüstung vor und überblickte den Raum unter ihm. Eine kleine, kaum erhöhte Bühne ohne Vorhang, auf der eine einfache, recht abstrakte Kulisse aufgebaut war. Davor etwa vierzig Sitzplätze, zur Hälfte besetzt. Nach den Grüppchen zu urteilen, die er eben noch draußen hatte warten sehen, würde das Theater voll werden. Das musste es wohl auch, wenn es sich bei diesem begrenzten Fassungsvermögen bezahlt machen sollte. Aber vielleicht waren die Schauspieler ja Amateure, die zu ihrem Vergnügen auftraten.
    Zögernd setzte er sich und wartete.
    Nach zwei Minuten wurde die Tür des Balkons geöffnet.
    Artur erwartete Frederik und sprang schon auf, um ihn zu begrüßen.
    Aber die Person, die eintrat, war eine Frau. Und was für eine!
    Sie war in ein duftiges blaues Abendkleid gehüllt, wie es manche Damen der oberen Gesellschaftsschichten zu feierlichen Anlässen tragen mochten. Ihre schlanken Arme und vollendeten Schultern blieben nackt, das Dekolleté gestattete den Blick auf mehr als nur die Ansätze zweier voller, weißer Brüste und auf eine goldene Kette mit einem ovalen Brillantanhänger. Das Gesicht war das eines Werbemodels, mit großen blauen Augen und perfekten, kirschroten Lippen, an deren Seiten sich beim Lächeln neckische Grübchen bildeten. Ihre Haare waren ein Kunstwerk aus Blond, ihre Haut von vornehmer Blässe.
    Er war fasziniert, und gleichzeitig fühlte er sich fehl am Platze. Er war plötzlich überzeugt, irgendetwas falsch verstanden zu haben und an einem Ort gelandet zu sein, an dem er nicht sein sollte. Sein Platz war unten auf dem Parkett, zwischen den uneinheitlich gekleideten Leuten. Wahrscheinlich wartete Frederik da unten irgendwo auf ihn, und die Alte an der Kasse hatte sich nur einen bizarren Spaß mit ihm erlaubt.
    „Entschuldigung, ich ...“ Er war dabei, den Balkon zu verlassen, auch wenn es dumm war, eine solche Frau freiwillig stehen zu lassen. Aber es ging nicht. Sie stand zwischen ihm und der Tür, in ihrer ganzen zauberhaften Präsenz, und sie ließ ihn nicht vorbei.
    „Willst du wirklich schon gehen?“, fragte sie. Ihre Stimme war ein Schnurren. „Oder soll ich Frederik rufen, Artur? Ist er dir lieber?“
    „Wo ist Frederik?“ Eigentlich hätte er noch eine andere Frage für sie gehabt. Woher kennst du meinen Namen? Wenn er sich recht entsann, hatte er ihn Frederik nicht verraten, nur Janina. Er musste sich täuschen. Er musste sich Frederik gegenüber vorgestellt haben.
    „Frederik ist nicht weit.“ Wieder diese unklare Ausdrucksweise, diese Geheimnistuerei um jeden Preis. Es war ihm schon bei Janina aufgefallen. „Wenn du darauf bestehst, dass ich ihn hole, hole ich ihn.“ Sie tat nichts dergleichen. Stattdessen kam sie noch einen Schritt auf ihn zu. Mehr Platz war nicht zwischen ihnen. Zuerst berührte der Saum ihres Rockes seine
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