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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum
Autoren: Charles Bukowski
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Spucknapf neben seinen Füßen.
»Mr. Beiger«, sagte er von dem Mann, der einigen Schlaf nachzuholen hatte, »hat schwer gearbeitet, um diese Zeitung wieder hochzubringen. Er ist ein tüchtiger Mann. Wir waren nahe am Bankrott. Bis er dann kam.«
Er musterte mich. »Den Job hier geben sie gewöhnlich einem Jungen vom College.«
Er ist ein Frosch, dachte ich. Das ist es. Ein Frosch ist er.
»Ich meine«, sagte er, »der Job geht gewöhnlich an einen Studenten. Der kann seine Bücher studieren, während er darauf wartet, daß er gebraucht wird. Sind Sie Student?«
»Nee.«
»Der Job hier geht gewöhnlich an einen Studenten.«
Ich ging in den Nebenraum, wo mein Arbeitsplatz war. In dem Zimmer standen neben- und übereinander die metallenen Schubfächer mit den Zinkplatten für den Anzeigenteil. Viele dieser Platten wurden immer wieder verwendet. Es gab auch eine Menge abgesetzte Schriftblöcke – Firmenzeichen und Namen von Anzeigenkunden. Jedesmal, wenn der dicke Mann » Chinaski! « brüllte, ging ich los, um nachzusehen, welche Schriftblöcke oder Platten er brauchte. Oft wurde ich auch zur Konkurrenz geschickt, um mir dort Schriftblöcke auszuleihen. Sie borgten sich auch welche von uns. Dieser Botengang bot eine willkommene Abwechslung, und unterwegs entdeckte ich in einer Seitengasse ein Lokal, wo das Glas Bier noch 5 Cents kostete. Der dicke Mann rief nicht oft nach mir, und die Bierkneipe gewann in mir einen Stammgast. Der dicke Mann begann mich zu vermissen. Zuerst warf er mir nur unfreundliche Blicke zu. Dann, eines Tages, fragte er: »Wo waren Sie?«
»Auf’n Sprung weg, ’n Bier trinken.«
»Das hier ist ein Job für einen Studenten.«
»Ich bin aber kein Student.«
»Ich kann Sie nicht brauchen. Ich brauche einen, der sich ständig zur Verfügung hält.«
Der dicke Mann ging mit mir zu Beiger, der so müde wie eh und je aussah. »Das ist ein Job für einen Studenten, Mr. Beiger. Tut mir leid, aber ich kann diesen Mann nicht gebrauchen. Wir brauchen einen Studenten.«
»All right«, sagte Beiger. Der dicke Mann schlappte davon.
»Was schulden wir Ihnen?« fragte Beiger.
»Fünf Tage.«
»Okay. Gehen Sie damit runter zur Kasse.«
»Hören Sie, Beiger, dieser alte Wichser ist zum Kotzen.« Beiger seufzte. »Ach Gott, wem sagen Sie das …« Ich ging runter zur Kasse.

7
    Wir waren immer noch in Louisiana. Die lange Bahnfahrt durch Texas lag vor uns. Unsere Verpflegung bestand aus Konservendosen, aber sie gaben uns keine Dosenöffner dazu. Ich stellte meine Dosen auf den Boden und streckte mich auf der hölzernen Sitzbank aus. Die anderen Männer saßen im vorderen Teil des Waggons zusammen, redeten und lachten. Ich machte die Augen zu. Nach ungefähr zehn Minuten merkte ich, daß Staub von unten durch die Ritzen der Sitzbank waberte. Es war sehr alter Staub, wie aus einem Sarg; er stank nach Tod, nach etwas, das schon sehr lange tot war. Er drang mir in die Nasenlöcher, legte sich auf meine Augenbrauen, auf meinen Mund. Dann hörte ich jemand pusten. Durch die Ritzen erkannte ich einen Mann, der sich hinter meinen Sitz kauerte und mir den Staub ins Gesicht pustete. Ich setzte mich auf. Der Mann rappelte sich hoch und rannte nach vorn zu den anderen. Ich wischte mir das Gesicht ab und starrte ihm nach. Es war kaum zu glauben.
    »Wenn er herkommt, müßt ihr mir aber helfen«, hörte ich ihn sagen. »Ihr müßt mir versprechen, daß ihr mir helft …«
Die ganze Bande sah zu mir nach hinten. Ich streckte mich wieder auf meiner Bank aus. Ich hörte, wie sie sich unterhielten: »Was ist mit dem?« – »Für wen hält der sich?« – »Er redet mit keinem.« – »Hockt da hinten und sondert sich ab.«
»Wenn wir da draußen auf den Gleisen mit ihm allein sind, ist er dran. Dieser miese Knochen.«
»Meinst du, du schaffst ihn, Paul? Sieht mir aus, als wär er unzurechnungsfähig.«
»Wenn ich ihn nicht schaffe, dann eben ein anderer. Der frißt Scheiße, eh wir mit ihm fertig sind.«
Einige Zeit später ging ich in den vorderen Teil des Waggons, um einen Becher Wasser zu trinken. Als ich an ihnen vorbeiging, hörten sie auf zu reden. Sie beobachteten mich, während ich meinen Becher Wasser trank. Als ich mich umwandte und zurück zu meiner Sitzbank ging, nahmen sie ihre Unterhaltung wieder auf.
Der Zug hielt öfter an, tagsüber und bei Nacht. Bei jedem Halt, wo es ein bißchen Vegetation und in der Nähe eine kleine Stadt gab, sprangen ein oder zwei Männer ab.
»Hey, verdammt, wo sind Collins und
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