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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino
Autoren: António Lobo Antunes
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erkennen: der Nebel löste sich in langsame schmutzige Lumpen auf, die verblaßten
und sich in müder Trägheit neu zusammenfanden. Die Majore zündeten sich lustlos scherzend gegenseitig die Zigarillos an, und ein saurer, dicker Geruch breitete sich im Zimmer aus: Afrika, dachte der Oberstleutnant, die Erde von Mosambik nach dem Regen, Grillen, die zum Nachtgesang die Flügel lösen, der Funkoffizier sehr ernst in Habtachtstellung an der Tür, in der Hand ein Papier:
    – Erlauben Sie?
    – Deine Frau? fragte der Kommandeur der Kaserne, der hin und wieder mit einem Clownstick die Hosen hochzog. Er war der beste Schüler im Kurs gewesen und ein ordentlicher Fechter, doch hier, vor ihm, kam er ihm wie ein verklemmter, dummer Alter vor, der unbedingt gefallen wollte, als bettelte er um eine Anstellung.
    – Ich hatte keine Zeit, ins Krankenhaus zu gehen, antwortete er unwirsch, um augenblicklich seinen barschen Ton zu bereuen und die Schultern hochzuziehen: Sie hatte wegen der Bestrahlungen etwas abgenommen, aber du weißt ja, wie das mit den Briefen von Angehörigen ist: Sie würden uns weniger beunruhigen, wenn sie die Wahrheit erzählten. (Und er dachte, Ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern, ob du hübsch warst, als ich dich kennengelernt habe, ich werde die Schublade mit den Fotos aufmachen und über den Müll der Vergangenheit staunen.)
    – Ich wette, niemand weiß, daß du zurück bist, lächelte ihm der Kommandeur freundschaftlich zu, während er sich die Hosen etwas kräftiger hochzog. Mein Wagen steht unten für dich bereit.
    Der Funkoffizier machte einen Schritt nach vorn und streckte die Nachricht aus:
    – Am sechsundzwanzigsten brechen wir nach Lissabon auf.
    Der Freund drückte das Zigarillo mitten im Glasaschenbecher aus: man konnte die Zufahrten zur Autobahn sehen, noch mehr Bäume, übereinandergehäufte Häuser, als stiege die Stadt auf einer dieser beweglichen Bühnen des Casinos in sich selber hinab:
Herr Geschäftsführer, alle Nutten von Lourenço Marques zu mir nach Haus.
    – Du bist nicht der einzige, der in dieser Scheiße steckt, jammerte der Fechter. Sieh mich an: wer würde sagen, daß ich fünfundvierzig Jahre alt bin, verdammt? Und jetzt im August, stell dir vor, ich in Guinea.
    Er schaute ungläubig auf die Buchstaben, während er in seiner Hemdtasche nach Streichhölzern suchte: die Flamme beleuchtete Teile seines langen Gesichts, zwei tiefe, vertikale Falten an der Wurzel der Wangenknochen, die braune Narbe des Kiefers, dahinter eine Landkarte bunter Flecken. Der Funkoffizier putzte die Brille mit dem Taschentuch. In der Stille ähnelten die Wachposten kleinen kubischen, zur dunklen Drohung des Busches hingewandten Hügeln. Der Oberstleutnant strich sich übers schüttere Haar, hob den Kopf, und der andere traf auf seine hellen, tiefliegenden, ausdruckslosen Augen:
    – Übergeben Sie es Major Albuquerque, er soll sich darum kümmern. Sie können gehen.
    Er stieg die Treppen der Kaserne hinunter, ohne die Grüße zu beachten, und setzte sich neben den Koffer und den Sack auf die Rückbank des schwarzen Volkswagens des Kommandeurs, den ein Gefreiter fuhr, der mit seinem blonden Schnurrbärtchen was von einem Fadosänger hatte:
    – Zum Krebsinstitut, befahl er mit belegter, schneller Stimme, in der die beiden Worte einander verschlangen wie zornige Hunde.
    Die Reifen lösten sich vom Schotter, der Wagen glitt zum Wappentor, wobei er unter mühevollem Dosengeschepper den Kotflügel nachzog, und verlor sich im Verkehr von Encarnação im Schatten eines riesigen Lastwagens mit sechs Rädern.
    – Lissabon hat sie alle verschluckt, Herr Hauptmann, jeder ist in seine eigene Richtung gegangen wie ein Wurf, der sich verstreut, sagte der Leutnant. Und heute, nach zehn Jahren wieder hier vereint, sind wir nicht mehr dieselben: es ist so viel in dieser Zeit passiert.

    Der Funkoffizier stützte die Ellenbogen aufs Tischtuch und beugte, den Fisch vergessend, den sanften Glanz der Brillengläser zu mir:
    – Als wir zweiundsiebzig angekommen sind, gehörte ich der Organisation bereits seit fünf Jahren an. Sie wollten nicht, daß ich heimlich abhaute oder in den Untergrund ging oder Beamter wurde: es war wichtig für uns, Herr Hauptmann, Leute in der Armee zu haben, von innen heraus zu begreifen, was passierte, im Inneren der Maschine zu wirken: wir wußten, daß die einzige Möglichkeit einer Veränderung zwangsläufig von dort kommen würde.
    Auf dem Weg nach Sete Rios wandte der
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