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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino
Autoren: António Lobo Antunes
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Hauptmann. Er lebte in einem Keller neben dem Campo de Santana in einer winkligen Gasse, die von Barbieren und Katzen bewohnt war.
    Eine alterslose Frau, deren Hals von Vitiligoflecken übersät war, öffnete ihm schlurfend die Tür, ließ ein heiles und ein anderes blaues, leeres Auge auf ihm ruhen, das durchdringender zu sein schien als das gesunde, und sagte
    – Man sieht meilenweit, daß Sie der Neffe von Ilídio sind, kommen Sie rein.

    Wände voller Feuchtigkeitsflecken, voller Löcher von Nägeln, voller Insektenkotsprenkeln, nicht zusammenpassende Möbel, eine aufgeschlagene Zeitschrift auf einem Schaukelstuhl, Fliesen mit dem Benfica-Wappen, das Foto von meiner Mutter auf der Anrichte inmitten von billigen, orangefarbenen geschliffenen Gläsern, mit diesem schüchternen, verschämten Ausdruck, den ich so wenig kannte.
    – Kümmern Sie sich nicht um die Unordnung, entschuldigte sich die Frau, ich war beim Kassenarzt und habe vier Stunden gewartet, bis ich drankam.
    Das Foto der Mutter verfolgte ihn hartnäckig, ohne Unterlaß durch das Zimmer wie die Jesusse mit offengelegtem Herzen und dem Kokottenmund auf den Kalendern der Sakristeien, hinten in der Wohnung schlug ein Fenster heftig zu, und der Onkel im Unterhemd beschimpfte ihn, Hallo, Junge. Er hatte den gewohnten wütenden Gesichtsausdruck, doch eine Art Grimasse drückte seine winzigen Augenlider leicht zusammen. Guten Abend, Senhor, antwortete er und dachte, Ich bringe, verflucht noch mal, nicht die Lässigkeit auf, ihn anders anzureden. Sie setzten sich schließlich an den Tisch mit der ekligen schwarzgelb karierten Wachstuchdecke, die Frau rührte in Töpfen, der Onkel kratzte sich verlegen und schweigend den Nacken mit dem ellenlangen Nagel des kleinen Fingers: unglaublich, wie ähnlich der Alte einer Kröte ist, bemerkte der Soldat, der gleiche runde Leib, die gleichen dünnen Glieder, der gleiche große Mund. Er wollte gerade mit der Gemüsesuppe anfangen, da kam ein Mädchen im Anorak ins Zimmer, Hallo, Mutter, hallo, Onkel, und ich, den Löffel in der Luft, mit blödem Gesicht, den Pingpongblick zwischen dem Mädchen und dem Alten: Also hast du tatsächlich die Witwe geheiratet, wie immer heimlich behauptet wurde, bist du tatsächlich der zehn Jahre älteren Tussi ins Netz gegangen, und hat deshalb die Großmutter jedesmal protestiert und gekreischt, wenn dein Name erwähnt wurde, und der Zelluloidball hüpfte vom Onkel zum Mädchen, das ihm ein Bündel eiliger, verschwitzter Finger reichte,
Angenehm, sich an den Tisch setzte, Krümel und Rindenstücke mit dem Handrücken wegschob, sich vorbeugte und die Brühe zu schlucken begann, eine Magere, Herr Hauptmann, mit einer leichten Kartoffelnase und einer Narbe an der Wange, mit der schnellen, jähen Gestik eines Spatzen.
    – Hast du sie bestiegen? fragte ich und suchte in der Tasche nach dem Taschentuch.
    Eine Seespinne am Ende eines Armes flog vor uns vorbei, um an der Ecke zu landen, an der die Stabsoffiziere über dem gelben Senffäßchen wisperten.
    – Das war erst sehr viel später, sagte der Soldat, monatelang hat sie sich überhaupt nicht um mich gekümmert. (Und sein Mund lächelte fest und hart, aus Kunststoff wie der einer Schaufensterpuppe.)
    – Hat dich der Krieg so stumm wie ein Rabenfisch gemacht? fragte der Onkel aufgebracht. Kannst du reden?
    Er aß seine Suppe auf, schneuzte sich an der Serviette und bedeckte einen monumentalen Rülpser mit der Handfläche: Er fühlte den Bauch von Gasen aufgeblasen wie die Treppen und Gänge der U-Bahn zur Hauptverkehrszeit, jede Menge Windleute, die über die Stufen der Eingeweide trabten, Quietschen von Waggons, merkwürdige Schlenker, Schaumgepuste: Bin ich nervös, weil ich zurückgekommen und jetzt hier bei den Alten und ihr bin, in dieser engen, übelriechenden Wohnung, die ich nicht kenne, und eine Gräte nach der anderen auf die Gabel spucke? Noch nie habe ich so viele in einem einzigen Stück gehabt, Herr Hauptmann, wie bei jenem beschissenen Abendessen: der Onkel mümmelte, das Kinn auf dem Teller, während das Asthma mühselig in seinem Rachen pfiff. Ich hätte gern noch etwas Olivenöl gehabt, schämte mich aber, darum zu bitten, die Kartoffeln rollten sich um die Zunge, die Rübenschößlinge, die sich nicht zerfransen ließen, verstopften alles. Mir gegenüber hüstelte, die Zigarette zwischen den Fingern, der Leutnant:
    – Bei der Scheiße, die sie uns im Busch zu essen gegeben
haben, Herr Hauptmann, hatte ich diese kleinen
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