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Extrem

Extrem

Titel: Extrem
Autoren: Stefan Goedde
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genannte Bevölkerung und vernichteten sie zu einem großen Teil, indem sie sie ausbeuteten, aber auch, indem sie durch Maßnahmen der Christianisierung und Zivilisierung die Lebensgrundlagen der fremden Kulturen zerstörten. Außerdem verschleppten sie zur Besiedlung des neuen Landes Millionen Schwarzafrikaner als Sklaven nach Amerika. Erst im Verlaufe der folgenden Jahrhunderte begann ganz allmählich ein Kampf für die Gleichberechtigung der indigenen (sofern von ihr noch Menschen übrig waren) und der afroamerikanischen Bevölkerung, der insbesondere in den USA noch im 20. Jahrhundert blutige Spuren hinterlassen hat und bis heute nicht gänzlich ausgestanden ist.
    Die selbstverständlich erscheinende Erkenntnis, dass die Hautfarbe keinerlei Hinweis auf den Wert oder die Eigenschaften eines Menschen liefert, konnte sich also nurlangsam durchsetzen – nicht wenige Angehörige der afroamerikanischen Bevölkerung versuchten noch lange, sich selber zu helfen und der Diskriminierung ihrer Hautfarbe durch eine Art Mimikry zu entgehen. So beschreibt die Schriftstellerin Toni Morrison in ihren Romanen, wie ihre dunkelhäutigen Protagonisten sich bemühen, ein europäisches Aussehen zu erlangen, indem sie sich die Haut mit Mehl einreiben. 1993 schlugen die Erfolge der Bürgerrechtsbewegung schließlich auch in den höchsten literarischen Ehren nieder, die zuvor nur Weißen zuteilgeworden waren: Morrison gewann den Literaturnobelpreis.
    Unabhängig von den Rassenproblemen begann bei den Europäern im späten 19. Jahrhundert eine dunkle, sonnengebräunte Haut zum Inbegriff eines gesunden, genussvollen Lebensstils zu werden. Seither lautet die versteckte Botschaft: Wer sonnengebräunt ist, kann sich den Luxus gelegentlicher Spritztouren ans Mittelmeer oder in die Alpen leisten. Der Trend hat sich also umgekehrt: Früher war Blässe ein Zeichen von Reichtum, weil sie erkennen ließ, dass Menschen es nicht nötig hatten, auf dem Feld zu arbeiten. Die „Weißen“ bildeten die Oberschicht. Heute gilt der braungebrannte Teint bei Westeuropäern als Zeichen von Reichtum, weil darin sichtbar wird, dass sich der Träger den jährlichen Segeltörn in der Karibik leisten kann.
    Die erst seit gut 150 Jahren aktuelle Mode des sonnengebräunten Äußeren entstand, als die Medizin die gesundheitsfördernde Bedeutung von frischer Luft und Sonne entdeckte. Etwa um 1900 begannen Ärzte, die Heliotherapie (nach Helios, dem griechischen Sonnengott) sogar gezielt zur Behandlung von Hautkrankheiten, vorbeugend gegen Knochenerkrankungen und zur Unterstützung bei chronischen Infektionen einzusetzen. Leider wurde, der medizinischen Fortschritte ungeachtet, in den letzten Jahrzehnten eine Hautkrebsrate verzeichnet, die sich verdoppelt hat – ausgelöst durch unseren modernen Sonnenkult, denn Hautkrebs ist und bleibt eine Langzeitfolge von zu ausgedehnten Sonnenbädern.
    Doch zu der rasanten Steigerung der Hautkrebsrate hat in den letzten Jahrzehnten noch ein anderes Phänomen beigetragen. Seit es das Ozonloch gibt, herrschen in bestimmten Monaten und an bestimmten Orten der Welt wahre Extrembedingungen. Und damit kehren wir wieder zur Chemie zurück: Ozon ist eine bestimmte Form des Sauerstoffs, bei der die Moleküle nicht aus zwei, sondern aus drei Sauerstoffatomen bestehen. Diese Ozonmoleküle entstehen aus einer Reaktion des UV-Lichtes mit Sauerstoff, die in einer Höhe von 15 bis 50 Kilometern über der Erde stattfindet. In dieser Schicht macht das Ozon bereits bis zu 95 Prozent der gefährlichen UV-Strahlung unschädlich, noch ehe diese die unterste, circa zehn Kilometer dicke Schicht der Erdatmosphäre erreicht.
    Seit der Verwendung von sogenannten FCKW, den Fluorchlorkohlenwasserstoffen, die sich in Haarsprays, Kühlschränken und Ähnlichem befanden, bevor sie im Jahr 2000 zumindest in der EU verboten wurden (allerdings ist der vollständige Ausstieg erst bis zum Jahr 2026 geplant), wird die Ozonschicht durch chemische Reaktionen dieser Stoffe zunehmend dünner. Die ozonschädigenden Stoffe steigen bis in die Ozonschicht und spalten dort durch die starke UV-Strahlung Chloratome ab. Diese entreißen dem Ozonmolekül ein Sauerstoffatom und oxidieren zu Chloroxid: Das entstehende Chloroxid zerfällt danach wieder in ein Chloratom und Sauerstoff. Da das Chlor nach dieser Reaktion wieder unverändert vorliegt, kann es erneut ein Ozonmolekül angreifen. Auf diese Weise kann ein einzigesChloratom bis zu 100 000 Ozonmoleküle zerstören! Durch
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