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Extrem

Extrem

Titel: Extrem
Autoren: Stefan Goedde
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Nordeuropa, ebenso lebenswichtig wie die schwarze Haut für die Menschen auf der Südhalbkugel. In den mindestens 150 000 Jahren, in denen sich der Homo sapiens entwickelt hat, haben sich daher ganz unterschiedliche Hauttypen herausgebildet. Ihre Verteilung auf der Erde ist kein Zufall, sondern entspricht jeweils der biologischen Ausstattung, die in den verschiedenen Klimazonen der Erde erforderlich ist.
    Dass sich die Menschen mit dunklem Teint ihren Sonnenschutz erst im Verlauf der Evolution zugelegt haben, belegen uralte Knochenfunde aus der frühen vorkolumbianischen Zeit der Inka. An den Überresten der ältesten Angehörigen dieses Stammes, die vor circa 3000 Jahren nach Südamerika eingewandert sind, lässt sich nämlich eine überraschend hohe Krebsrate nachweisen. Die heutigen Nachfahren der Inka zeigen dagegen eine viel bessere genetische Resistenz gegen Krebs, was darauf schließen lässt, dass sich die dunkle, sonnenresistente Haut erst im Laufe der 3000 Jahre der Besiedlung Südamerikas herausgebildet hat.
    Ein anderer Beweis für diese Entwicklung findet sich in Australien. Bei den hellhäutigen Bewohnern des fünften Kontinents handelt es sich um die Nachkommen von Menschen, die größtenteils erst im 19. und 20. Jahrhundert aus Europa dorthin ausgewandert sind. Zuvor hatten die Briten kurz nach ihrer „Entdeckung“ des neuen Landes das wenig besiedelte Australien für die Gründung von Kolonien genutzt, in denen sie in den Jahren 1788 – 1857 beinahe 140 000 Strafgefangene unterbrachten. Es war eine Notlösung – die englischen Gefängnisse quollen über, da die Regierung in ihrem Kampf gegen irische und schottische Unabhängigkeitsbestrebungen eine große Zahl an politischen Gegnern einsperren ließ. Die erste dieser Gefangenensiedlungen wurde nach dem damaligen britischen Innenminister, Lord Sydney, benannt. Anders als bei den Ureinwohnern des Landes, lässt sich heute bei denNachfahren dieser europäischen Strafgefangenen eine viel höhere Rate an sonneninduziertem Hautkrebs feststellen.
    Die Anpassung der Haut durch Evolution ist ein sehr langwieriger Prozess. Schneller geht es eben doch, sich mit Sonnencreme einzureiben. Sogar die Ägypter der frühen Antike gaben Reisenden durch Wüstengebiete schon die Krautwurzel Ami-Majos mit auf den Weg, die den Wirkstoff 8-Methoxypsoraten enthält. Ein Sonnenschutzmittel! Fast so alt wie der Sonnenbrand und die ersten Mittel dagegen ist übrigens auch die Bezeichnung der Krankheit, die wir bis heute als Krebs kennen und fürchten. Der römische Arzt Galen (129 – 216 n. Chr.) war der Meinung, ein Brustkrebsgeschwür sehe wie der Körper eines Krebses aus und die Blutgefäße daran wie die Beine des Tieres – er verlieh der Krankheit schon vor gut 1800 Jahren ihren Namen.
Wer schön sein will
    Die unterschiedliche Hautfarbe hat, wie wir gesehen haben, einen biologischen Sinn und steht in direktem Zusammenhang mit den klimatischen Bedingungen in den verschiedenen Regionen der Erde. Doch die Raffinesse der Natur scheint uns manchmal wenig zu interessieren. Schon seit Jahrtausenden stören sich die Menschen am optischen Ergebnis, sind mit ihrer Hautfarbe unzufrieden und begeben sich auf die Jagd nach dem perfekten Teint. Helle Haut galt über lange Jahrhunderte als Zeichen von Reichtum. Sie demonstrierte, dass jemand es nicht nötig hatte, im Freien zu arbeiten, und war somit sichtbares Zeichen wohlhabender Familien und ihrer Zugehörigkeit zur oberen Klasse. Die Frauen im alten Indien, aber auch die antiken Römerinnen verwendeten deshalb Bleiweiß (Bleioxid),um ihre Haut aufzuhellen. Doch ähnlich wie das zu intensive Sonnenbad, mit dem viele Menschen heute leichtfertig bösartige Krankheiten riskieren, verdiente auch dieses Mittel zur Verschönerung den dringenden Hinweis: Vorsicht, krebserregend!
    Ein eindrucksvolles, frühes Beispiel der Auflehnung gegen die unterschiedliche Bewertung von weißer und schwarzer Haut findet sich schon in der Bibel. In einem Wechselgesang im Hohen Lied von König Salomo (965 – 926 v. Chr.) heißt es: „Braun bin ich zwar, doch hübsch, […]. Seht mich nicht an, dass ich so gebräunt bin, dass mich die Sonne verbrannt hat …“
    Die Bewertung der Hautfarbe steht zudem mit der Rassendiskriminierung in Zusammenhang, die in der Geschichte großes Leid verursacht hat. Die weißen Siedler, die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts aus Europa nach Amerika auswanderten, unterwarfen die einheimische, „indigen“
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