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Exil

Exil

Titel: Exil
Autoren: Jakob Ejersbo
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brüllen.
    »Übersetz«, fordere ich Christian auf.
    »Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du dein Scheißmotorrad nicht mitten auf den Hof stellen sollst! Verflucht, das endet noch mal damit, dass ich es anfahre!«, wiederholt Christian, während sich Schritte nähern. Die Tür geht auf, es ist sein Vater, sauer. Bis er mich entdeckt. Er ist überrascht.
    »Guten Tag«, sagt er, tritt zwei Schritte ins Zimmer und streckt die Hand aus. »Niels«, stellt er sich vor. Ich richte mich auf und schüttele seine Hand. Christian sagt irgendetwas auf Dänisch. Ich drücke meine Zigarette aus. Niels ist Mitglied des Verwaltungsrats der Schule. Sie bestimmen bei Vergehen, ob man eine Woche oder vierzehn Tage zu Hause zu bleiben hat oder ganz von der Schule geschmissen wird. Habe ich eine Raucherlaubnis? Nein. Aber das weiß er nicht, jedenfalls sagt er nichts, er sieht uns bloß an; seine fahle Haut, dieser gebrochene Ausdruck in den Augen: Suff, Kater, Müdigkeit.
    »Karibuni chakala«, sagt der Koch auf dem Flur – das Essen ist fertig.
    »Möchtest du mitessen?«, fragt Christians Vater.
    »Natürlich möchte sie«, sagt Christian.
    Wir gehen in die Küche, setzen uns an den Tisch, essen. Die Unterhaltung ist angestrengt. Irgendetwas mit der Schule, das Hotel in Tanga, Golf. Aber das Essen ist gut.
    Hinterher fahren wir Motorrad. Ich fahre besser als Christian, aber das sage ich nicht. Wir kommen zur Lema Road. Ich habe keine Lust, zur Schule gebracht zu werden.
    »Wollen wir in den Moshi Club fahren?«, rufe ich. Christian bremst und hält an der T-Kreuzung, an der die Lema Road rechts abgeht.
    »Nein, keine Lust. Mein Vater wird bald hinfahren, um sich dort volllaufen zu lassen.«
    »Dann lass uns einfach so herumfahren.«
    »Okay.« Christian gibt Gas. Er fährt geradeaus, an der Abfahrt zum Moshi Club vorbei und die Serpentinen hinunter zur alten Eisenbrücke über den Karanga River. Die Fahrbahn besteht aus mehreren Schichten unterschiedlicher Planken, die nicht ordentlich befestigt sind; an mehreren Stellen kann man das zehn Meter unter uns fließende Wasser sehen. Christian fährt langsam, bis wir auf der anderen Seite wieder Asphalt erreichen, dann dreht er auf. Mein Körper wird nach hinten gezogen, ich verschränke meine Finger vor seinem Bauch, um mich festzuhalten. Durch den dünnen Stoff des T-Shirts fühle ich seine Bauchmuskulatur.
    Sein Vater, meine Mutter. Der alltägliche Suff.
    Wir fahren schnell – die Maschine und der Fahrtwind –, es hat keinen Sinn zu reden. Wir fahren an der Rückseite des Karanga Prison vorbei, und weiter in westliche Richtung. Wir begegnen einer Gruppe Strafgefangener in verwaschenen weißen Anzügen und ein paar Aufsehern. Sie tragen dunkelgrüne Uniformen und Gewehre. Die Gefangenen bessern den Straßenrand aus, unter den sich in der Regenzeit die Wasserströme graben. Wenn dann schwere Fahrzeuge darüber fahren, platzt der Asphalt auf. Weiße Gefangenenkleidung, darauf ist mitten in all dem Grün leichter zu zielen. Wenn wir weit genug fahren, treffen wir auf die Straße in Richtung Norden, zum West-Kilimandscharo, wo Christians Mutter jetzt wohnt.
    Weiße Könige
    Nach ein paar Kilometern führt die Straße durch ein Dorf. Christian hält vor einem Kiosk.
    »Hast du Geld?«, frage ich ihn, denn ich habe keins.
    »Ja.«
    »Du hast immer Geld.«
    »Ich klau’s meinem Alten.«
    »Hast du keine Angst, dass er’s entdeckt?«
    »Nein, dazu hat er zu oft einen Kater. Ich klaue ein paar Dollar oder ein paar Pfund, die herumliegen, und wechsle sie bei Phantom. Das ist der Schwarze mit dem kleinen Kiosk am Eingang vom Markt.«
    »Der Rasta-Typ?«
    »Genau.«
    Wir trinken Limonade, rauchen Zigaretten.
    »Die sind überhaupt nicht hier«, sagt Christian.
    »Wer?«
    »Meine Eltern. Die … Weißen. Das hat überhaupt nichts mit Afrika zu tun. Die bewegen sich zwischen ihrem Haus, dem Job, dem Club und den Häusern der anderen Weißen. Das Gefährlichste, was sie unternehmen, ist ein Marktbesuch mit dem Koch oder dem Gärtner an der Leine, damit er die Waren zurück zum Auto schleppen kann.«
    »Was ist daran falsch?«
    »Na ja … sie sind in Afrika – und sie haben nicht das Geringste mit den Afrikanern zu tun!«
    »Glaubst du, sie verpassen was?«
    »Tja, also …«
    »Also was?«
    »Dann hätten sie ebenso gut zu Hause bleiben können!«
    »Nein, weil sie hier leben können wie die Könige«, widerspreche ich.
    »Aber das hat nichts damit zu tun, Afrika zu helfen.«
    »Hast du
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