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Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Titel: Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
Autoren: Claudia Gray
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ihm meine Hand auf die Brust, und ich spürte keinen Herzschlag. Lucas war tot.
     
    Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich konnte mich nicht davor verstecken. Charity hatte Lucas vor meinen Augen ermordet. Ich war gekommen, um ihn zu retten, aber ich war zu spät gekommen.
    O nein. Bitte nicht. Aber da war keiner mehr, den ich hätte anflehen können, und keine Macht, die es mir ermöglichen würde, doch noch rechtzeitig zu kommen und ungeschehen zu machen, was gerade passiert war. Ich war in dem Entsetzen dessen gefangen, was real und unumkehrbar war.
    Das Poltern auf der Treppe wurde lauter, und dann platzten Balthazar, Ranulf und Vic in den Raum. Sie blieben wie angewurzelt stehen, als sie die Szene sahen. Vic schlug sich die Hand vor den Mund, als glaubte er, ebenfalls schreien zu müssen.
    »Es war Charity«, flüsterte ich. »Sie hat sein Blut getrunken. Sie hat ihn getötet.«
    Vic sank auf die Knie. Ich wiegte Lucas’ Kopf in meinem Schoß und wünschte mir verzweifelt, ich hätte ihn noch einmal berühren können, nur ein einziges Mal, bevor alles zu Ende war. Es hätte mir so viel bedeutet, noch eine gemeinsame Sekunde mit ihm zu haben. Aber auch das hatte Charity mir genommen. Ich dachte an Julia, die den toten Romeo in ihren Armen hielt; auch sie war zu spät von den Toten zurückgekehrt.
    Ranulf senkte den Kopf. Balthazar machte einen Schritt auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Schulter, doch ich schüttelte sie ab.
    »Das ist deine Schuld«, sagte ich. Ich schrie nicht, um die Wucht meiner Worte zu verstärken, aber das musste ich auch nicht. Balthazar würde auch so verstehen. »Du hast ihn hierhergeschleppt, obwohl du wusstest, dass er nicht in der Verfassung war zu kämpfen. Du hast dich nie der Tatsache stellen können, dass Charity ein Monster ist. Und dafür hat Lucas mit seinem Leben bezahlt. Sprich … nie … nie mehr mit mir.«
    Balthazar hob sein Kinn. Auch wenn ich den Schmerz in seinen Augen sehen konnte, hatte er nicht den Anstand, einfach wegzugehen. »Wenn du in einigen Tagen noch immer so denkst, dann werde ich deinen Wunsch respektieren.«
    »Du wirst ihn jetzt respektieren.« Könnte ich meine Hand in Balthazars Brust schlagen und ihn ebenso verletzen, wie ich Shepherd verletzt hatte? In diesem Augenblick hätte ich es vermocht.
    Aber Balthazar sagte etwas, das all meine Rachegedanken zerstreute. »Du wirst bei dem, was jetzt kommt, Hilfe brauchen. «
    Zuerst konnte ich kaum sprechen. Ich wusste, dass er recht hatte – diese Regeln hatte ich schon gekannt, ehe ich Lucas getroffen hatte –, aber in meinem Schmerz hatte ich nicht darüber nachgedacht, was als Nächstes geschehen würde. Es schien zu schrecklich, um sich dem zu stellen. »Nicht das.«
    »Du weißt, wie es läuft, Bianca.«
    »Belehr mich nicht!«, schrie ich Balthazar an. »Du verstehst das nicht. Das ist das Letzte, was Lucas je gewollt hätte. Das Allerletzte. Er hätte den Tod vorgezogen. Es ist … sein schlimmster Albtraum.«
    »Warte«, krächzte Vic. Auf seinen Wangen glänzten Tränen. »Er hätte den Tod vorgezogen … Ich dachte, du hättest gesagt, er sei tot. Ist er das nicht? Können wir noch was für ihn tun?«
    Ich umarmte Lucas’ Leichnam. Es tut mir so leid, Lucas. Es tut mir so leid. Bei dem Einzigen, wovor ich dich hätte beschützen sollen, noch vor allem anderen, habe ich versagt.
    »Lucas ist tot«, sagte Balthazar. »Aber er ist durch den Biss eines Vampirs gestorben. Und Bianca hat ihn bereits in der Vergangenheit gebissen, sodass er schon ausgeliefert, schon vorbereitet war.«
    Vic sah verwirrt von Balthazar zu mir. »Was sagst du da?«
    Ich flüsterte: »Lucas wird als Vampir von den Toten auferstehen. «
    War es möglich, dass Lucas das ertragen konnte? Er hatte diese Vorstellung immer gehasst. Aber ich erinnerte mich an das, was Balthazar gesagt hatte, als ihn das Schwarze Kreuz gefangen gehalten hatte. Für unsere Art ist der Tod erst der Anfang.
    Dies könnte unser größter Albtraum werden. Aber vielleicht wäre es auch stattdessen unsere Hoffnung auf Rettung.
    Niemand konnte das wissen. Ich hielt Lucas’ Kopf in meinen Händen und strich ihm übers Haar.
    So warteten wir darauf, dass die Dämmerung einsetzte …

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
»Hourglass« bei HarperTeen, New York.
     
     
     
     
     
     
     
    1. Auflage
    Copyright © der Originalausgabe 2010 by Amy Vincent
    Published by arrangement with HarperCollins Children’s Books,
a division of HarperCollins
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