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Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts

Titel: Evernight Bd. 3 Hüterin des Zwielichts
Autoren: Claudia Gray
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Grinsen machte mir Angst – allerdings nur etwa zwei Sekunden lang, bis mir einfiel: Du bist doch schon tot. Bleibt nicht mehr viel, was er dir noch tun kann .
    »Du hättest uns gehen lassen sollen, als du die Chance hattest«, sagte ich und nestelte an dem Verschluss meines Armbands herum.
    »Als ich die Chance hatte?« Shepherd schüttelte den Kopf. »Du musst noch viel lernen.«
    »Du ebenfalls.«
    Als er einen Satz auf mich zu machte, ließ ich das Armband zu Boden fallen und rammte Shepherd meine Hand – die nun eine Spektralhand war – in die Brust.
    Es fühlte sich wie unterkühlte Haut an, die man in warmes Wasser taucht: gleichzeitig sengend heiß und eisig kalt. Ich berührte jede Schicht mit der Handfläche, und sie alle waren auf abscheuliche Weise zu erkennen: Haut, Rippen, Herz, Wirbelsäule. Shepherd fuhr kerzengerade auf, steif und bebend, krallte seine Hände in seine Brust, ohne etwas zu bewirken; im Zusehen wurde sein Brustkorb rings um meinen Arm herum neblig und blau. Shepherd wollte, dass ich ihn losließe, und mehr als alles andere wollte ich ihn abschütteln, aber ich wusste, dass ich mir diesen Vorteil zunutze machen musste. »Sag mir, wo Lucas ist!«
    »Oben«, keuchte er. »Projektor…raum …«
    Ich zog meine Hand zurück, und Shepherd brach auf dem Boden zusammen. Dann griff ich mir mein Armband. Inzwischen musste ich nichts mehr tun, als mich darauf zu konzentrieren, das Schmuckstück anzufassen, und schon hatte ich wieder eine körperliche Gestalt.
     
    In diesem Augenblick taumelte Balthazar in die Eingangshalle. Ein dünnes Blutrinnsal lief über seine Stirn, und seine schwarze Kleidung war zerrissen. Seine Unterlippe war aufgeplatzt, aber er hielt Pflöcke in beiden Händen und sah aus, als hätte er bislang alle Kämpfe für sich entscheiden können. Als er mich erblickte, stieß er ungläubig und atemlos aus: »Bianca?«
    »Hilf Ranulf!«, rief ich. Ranulf stand in der Nähe des Eingangs und hielt vier Vampire in Schach. Er hatte ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht, aber ich wusste nicht, wie lange er noch durchhalten würde. Balthazar warf sich ins Getümmel, und ich rannte davon. »Lucas! Lucas, wo bist du?«
    Keine Antwort.
    Ich fand die Treppe zum Projektorraum und stieg sie empor, so schnell ich konnte. Dabei verfluchte ich jede Stufe und die Tatsache, dass ich meine Kräfte nicht gut genug unter Kontrolle hatte, um einfach neben Lucas aufzutauchen. Als ich beinahe oben war, hörte ich ihre Stimmen.
    »Warum gibst du nicht auf?« Charity klang ernsthaft betrübt. »Ohne Bianca – was bleibt dir denn noch, wofür es sich zu kämpfen lohnt?«
    Lucas antwortete nicht.
    Ich erreichte die Tür des Projektorraums und musste mich entscheiden: das Armband fallenlassen oder es in der Hand behalten? Wenn ich es fallen ließe, wäre ich eher in der Lage, Charity zu schlagen. Wenn ich es in der Hand behielte, dann könnte Lucas sehen, dass ich noch immer bei ihm war, und wir könnten Charity gemeinsam bekämpfen. In der Hand behalten, entschied ich.
    An den Wänden des Projektorraums waren Filmposter aufgehängt, die mehrere Jahrzehnte umspannten und die man einfach übereinandergeklebt hatte: Angelina Jolie über Meg Ryan über Paul Newman. Ein Projektor lag auf dem Boden, und die zerknitterte, schwarze Folie überall stammte von echten, alten Filmrollen – eine längst vergessene Kopie des letzten Films, den sie hier gezeigt hatten. In jeder Ecke hingen Spinnweben, die so dick waren, dass es auch Seidenvorhänge hätten sein können. Ein Teil der Wand zum Kinosaal war herausgeschlagen worden, sodass dort ein riesiges Loch gähnte. Lucas und Charity standen in der Mitte des Projektorraums, beide blutüberströmt und zerzaust. Charitys aufgeplatzte Jeans und ihr durchlöchertes T-Shirt mochten schon von Anfang an zerlumpt gewesen sein, aber ich ging davon aus, dass einige der Risse frisch waren. Lucas’ Hemd war am Kragen kaputt. Er umklammerte den Pflock in seiner Hand.
    Lucas sah so aus, als wollte er sich jeden Moment wieder in den Kampf stürzen, den Pflock bereit zum Zustechen. Und da entdeckte er mich. Ich hatte erwartet, sein Gesicht würde vor Freude aufleuchten, aber stattdessen lag nichts als Ungläubigkeit darin. »Bianca?«
    »Lucas! Es ist okay. Alles ist okay!«
    Charity sah mich ebenfalls. Ihr Gesicht veränderte sich nicht. Sie wirbelte herum und trat Lucas mit aller Kraft gegen den Kiefer.
    Er taumelte zurück, zwar nicht bewusstlos, aber benommen. Charity
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