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Eve und der letzte Englaender

Eve und der letzte Englaender

Titel: Eve und der letzte Englaender
Autoren: Zaza Morgen
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gerade unseren Snack serviert, was meine Laune schlagartig aufhellte. Dom war auch wach und kaute schon eifrig vor sich hin. Ich schaute auf mein Tablett: Ein kleines Brötchen, ein abgepackter Obstsalat. Toll, offensichtlich hatten sie da was vergessen. Ich schaute auf Doms Tablett und erspähte zwei leere Appenzeller-Käse-Verpackungen. Ich sah ihn an. Er kaute grinsend weiter.
    „ Sag mal, das ist nicht zufällig MEIN Käse, den du da gerade kaust?“
    Er kaute weiter, als wäre nichts gewesen, grinste aber noch frecher.
    „ Oh du verdammter Engländer! Das wirst du büßen!“
    Ich riss ihm den letzten Bissen seines Brötchens aus dem Mund und steckte ihn blitzschnell in meinen.
    „ Ey, das war mein Brötchen!“
    „ Richtig, die Betonung liegt auf WAR“, zischte ich ihn an.
    „ Wer sich an meinem Käse vergeht, ist mein Feind!“
    „ Hey, du hast geschlafen! Und außerdem hattest du vorhin schon zwei Eis!“
     

    Ich schenkte ihm meinen bösesten Blick und kaute unter lautem, ziemlich anzüglichem Gestöhne auf meinem trockenen Brötchen herum. Die Stewardess grinste schon wieder in unserer Richtung. Dom legte verzweifelt seinen Zeigefinger auf seine Lippen und wollte mir damit wohl sagen, dass ich gefälligst die Fresse halten sollte. Ich dachte gar nicht daran! Er startete einen letzten Wiedergutmachungsversuch. „Weißt du, soooo lecker war der Käse gar nicht… War ja auch kein Brie!“
    Dieser Mensch hatte einfach keinen Geschmack!
    „ Brie?! Du spinnst ja wohl! Es geht nichts über einen schönen jungen Gouda. Aber wenn ich’s mir recht überlege: Schimmelkäse passt schon irgendwie zu dir.“
     

    Ich packte demonstrativ meinen MP3-Player aus und fuhrwerkte mir umständlich die Kopfhörer ins Ohr. Shuffle an und schon war alles gut. Für eine halbe Minute vielleicht. Dom stieß mich energisch von der Seite an. Man, der Typ hatte wirklich ADS!
    „ Was?!“, fuhr ich ihn an.
    „ Was hörst'n da?“
    „ Geht dich nix an.“
    „ Komm schon!“
    Widerwillig reichte ich ihm einen Kopfhörer rüber. Der Shuffle meinte es gut mit mir und spielte „7 Words“ von den Deftones. Chino Moreno schrie „suck suck suck suck“ und ich war mir ziemlich sicher, dass der Engländer es spätestens jetzt aufgeben würde. Denkste! Er nickte sogar im Takt mit dem Kopf. Ich betete für noch mehr Hass und mein Shuffle erhörte mich gnädigst. Das Intro von „We’re in this together“ von den Nine Inch Nails erklang. Trent Reznor knarzte sich die Verachtung aus dem Leib und ich ballte innerlich die Faust. Dom schien begeistert zu sein, er wippte sogar mit dem Fuß! Mit was zur Hölle konnte ich diesen Typen loswerden? Mit Scooter?!
     

    Doch mein Shuffle hatte andere Pläne mit mir: Radiohead. Spitze, ausgerechnet jetzt, am gefühlsmäßigen Tiefpunkt. „Pyramid Song“, mein emotionales Hiroschima. Ich verdrängte krampfhaft jeden Gedanken an den Mann, der mir den Songtext mal auf ein kleines Blatt Papier gekritzelt hatte. Bis vor drei Wochen hatte ich es immer mit mir in einem kleinen herzförmigen Medaillon herumgetragen, jetzt lag es auf dem Grund eines Sees und moderte vor sich hin. Genau wir er hoffentlich bald.
     

    Doms Armgeschlenker riss mich aus meinen Gedanken. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass schon der nächste Song lief, „Renegades of Funk“ von Rage Against The Machine. Und was den Engländer da schüttelte waren nicht etwa spastische Zuckungen, sondern er spielte Luftschlagzeug. Unfassbar! Warum machte er so was, auch noch in aller Öffentlichkeit? Ach ja, ich hatte es ja ganz verdrängt, er war ja Fan… Prompt riss er auch den Reißverschluss seiner Jacke auf und entblößte sein völlig abgeranztes Bandshirt. Mittlerweile glotzte das halbe Flugzeug zu uns herüber, aber Dom schien das nicht zu bemerken. Ich war heilfroh, als der letzte Akkord des Liedes erklang. Gleichzeitig fürchtete ich aber auch, was wohl als nächstes auf mich hernieder kommen würde. Dieser Typ war kein Hobbit, er war der letzte Engländer. Der allerletzte!
     

    Ich hörte einen dumpfem Bass, dann ein kraftvolles Schlagzeug, eine kreischende Gitarre und dann die zwischen spitzem Fiepsen und sinnlichem Stöhnen hin- und herwechselnde Stimme von James Campbell. Dem Rock-Gott und Frontmann von Mega! „Freak Out“, das passte ja großartig zur Situation. Ich sang erst leise, dann immer lauter mit. Dom saß ganz ruhig da und zuckte noch nicht mal mit dem Finger. Was war denn jetzt bitte los? Er zog sich den
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