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Eve und der letzte Englaender

Eve und der letzte Englaender

Titel: Eve und der letzte Englaender
Autoren: Zaza Morgen
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Kopfhörer aus dem Ohr und hielt ihn mir hin. Ich stellte die Musik ab und sah ihn entgeistert an.
    „ Magst du Mega nicht?“
    An sich war das eher eine rhetorische Frage. Dom räusperte sich, neigte seinen Kopf ein wenig zu Seite, reckte das Kinn und sagte leicht abfällig: „Ich finde sie etwas überbewertet.“ Überbewertet! Ich bekam spontan Schnappatmung.
    „ Alter, Mega sind einfach großartig! Hör doch mal HIN! Das sind keine Songs, das sind SYMPHONIEN!“, überschlug ich mich.
    Er zuckte nur mit den Achseln und grinste.
    „ Wenn du meinst.“
    War ja klar, dass der Engländer keinen Musikgeschmack hatte. Er hatte ja schließlich schon beim Käse versagt.
    „ Und was hörst du so? Linkin Park?“, warf ich ihm entgegen.
    Seine Grau-Grün-Wasauchimmer-Auge verengten sich zu kleinen Schlitzen, aber aus seinem Mund kam nur ein leises Grollen.
    Ich beschloss, dass dieses Gespräch damit beendet war und riss wieder das Schundblatt an mich, um mich für den Rest des Fluges darin zu vertiefen.
     

     

    Dom
     

    Der erste Ton von „Freak Out“ dröhnte aus Eves MP3-Player. Mir lief es eiskalt den Rücken runter, irgendwie hatte ich das Gefühl, ertappt worden zu sein. So wie ich mich als kleiner Junge oft gefühlt hatte, als ich bei unserer Nachbarin heimlich Kekse aus dem Schrank klaute und sie mich dabei erwischte. Gleich würde es beim Fliegenpilz-Mädchen klick machen und sie würde wissen, wer ich war. Und dann? Nun ja, sie würde mit Sicherheit hysterisch werden und mich plötzlich ganz furchtbar nett finden und so. Weiber! Aber vermutlich war das noch nicht mal ihr Player, sondern der ihres kleinen Alternative-Freundes, versuchte ich mich zu beruhigen. Die Musik, die wir bisher gehört hatten, war einfach viel zu gut, als dass sie ihr wirklich gefallen könnte. Sie hatte auch bei jedem Lied nur grimmig dreingeschaut, geradezu abwesend. Aber jetzt schien sie wie ausgewechselt, in ihrem Mundwinkeln spielte ein Lächeln und sie fing leise an den Refrain mitzusingen. Ich sah sie an. Vielleicht hatte sie ja doch einen guten Musikgeschmack. Mal sehen.
     

    Ich setzte mein seit Jahren antrainiertes Dom-Face auf und legte los. Anfangs schaute sie nur irritiert, doch mit jedem Wort, jeder meiner Gesten geriet sie mehr und mehr in Rage. Sie wurde richtig zornig! Nun ja, ich wusste ja schon, dass sie ab und an ein kleines Tourette-Syndrom aus ihrem hübschen Köpfchen zaubern konnte. Aber jetzt vermischte sich ihre Wut mir etwas anderem, etwas, dass sie von Innen heraus strahlen ließ: Sie verteidigte leidenschaftlich unsere Musik! Im gleichen Moment, in dem ich beschloss, ihr zu gestehen, wer ich war und vor allem was ich war, nämlich der Drummer dieser Band und der Mensch zu dessen Takt sie gerade mit ihren Füßen gewippt hatte, zischte sie mir die wohl übelste Beleidigung entgegen, die man einem Musiker machen kann.
    „ Und was hörst du so? Linkin Park?“
    Boah, das war fies! Es gab vieles, das man auf dieser Welt wohl oder übel dulden musste, aber Linkin Park gehörten definitiv nicht dazu! Das würde sie büßen müssen!
     

    Den Rest des Fluges wechselten wir kein Wort mehr miteinander, erst als ich ihr das gerade gekaufte Rückflugticket für die letzte Maschine in die Hand drückte, sah sie mich wieder an. „Danke dir, Dom“, sagte sie und streckte mir die Hand entgegen. Ich reichte ihr meine und ließ unauffällig ein kleines Zettelchen mit meiner Handynummer in ihrer verschwinden. In meinem Kopf machte sich wieder eine wohlbekannte Stimme breit.
    „ Das hast du gut gemacht, Dominic.“
    Ich schnappte mir meinen Trolley und verschwand.

Kapitel 4
     

    Eve
     

    Der Engländer war plötzlich verschwunden. Ich stand wie angewurzelt da und spürte etwas in meiner Hand. Was war das? Ich entfaltete ein winzig kleines Zettelchen, auf dem in filigranen Ziffern eine Telefonnummer stand. „Ruf mich an, wenn du magst. Dom“ stand darauf. Da hatte sich jemand aber ziemlich Mühe gegeben. Ich spürte einen kleinen Stich in der Herzgegend und steckte den Zettel in meine Hosentasche.
     

    London war der Wahnsinn! Das letzte Mal war ich vor Jahren hier gewesen, mit Rosa. Rosa – ich sollte sie unbedingt anrufen, sie machte sich sicherlich schon sorgen. Erstmal wollte ich aber die Stadt genießen und machte mich gleich auf nach Covent Garden. Die Tube, die ganzen Menschen, das vertraute und immer wieder magische „Mind the Gap“ – ich liebte dieses riesige Moloch, die verkommene Schönheit und
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