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Ethik: Grundwissen Philosophie

Ethik: Grundwissen Philosophie

Titel: Ethik: Grundwissen Philosophie
Autoren: Detlef Horster
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Überzeugung, dass diese Regel richtig und gut sei. Ihm fehlt in dieser Lebenssituation die Motivation dazu, der Regel zu folgen. Es gibt außerdem den umgekehrten Fall, dass eine Person scheinbar moralisch handelt, ohne moralisch motiviert zu sein. Das sind Handlungen, die nur – aus der Außenperspektive [27] betrachtet – moralisch aussehen: Ich habe zum Beispiel als Student regelmäßig Blut gespendet, um Geld für die Finanzierung meines Studiums zu verdienen. Mein Motiv war es nicht, zum Wohl der Menschen beizutragen, die eine Bluttransfusion benötigen. Darum können wir aufgrund der theoretischen Klärung dessen, was Moral ist, in diesem Fall bestimmen, dass es sich um eine rein kommerzielle Beziehung handelte und nicht um moralisches Handeln. Wie schon gesagt: »Der moralische Wert des Handelns besteht also in der Qualität, die man einer äußeren Handlung nicht ansieht.« (Kaulbach 1969, 229)
Pflichten gegen sich selbst
    Nach der bisherigen Darstellung der kantischen Moralphilosophie könnte man meinen, dass es moralische Pflichten nur gegenüber anderen gibt. Doch Kant kennt außerdem Pflichten gegen sich selbst. Im zweiten Teil der
Metaphysik der Sitten
, in der »Ethischen Elementarlehre«, gibt es einen Teil mit der Überschrift »Von den Pflichten gegen sich selbst überhaupt«. Über die Pflichten gegen sich selbst sagt Kant in seiner Ethik-Vorlesung: »In der Moral ist kein einziges Stück mangelhafter abgehandelt als dieses Stück von den Pflichten gegen sich selbst.« (Kant 1924, 146) Um allen Missverständnissen vorzubeugen, die im Begriff der Pflichten gegen sich selbst liegen können, schreibt er: »Das Principium der Pflichten gegen sich selbst besteht nicht in der Selbstgunst, sondern in der Selbstschätzung, d. h. unsere Handlungen müssen mit der Würde der Menschheit übereinstimmen. […] Allen Pflichten gegen uns selbst liegt eine gewisse Ehrliebe zum Grunde, die darin besteht, daß sich der Mensch selbst schätzt und in seinen eigenen Augen nicht unwürdig ist, daß seine Handlungen mit der Menschheit selbst übereinstimmen, der inneren Ehre in seinen Augen würdig zu sein.« (Kant 1924, 155f.)
    [28] Ein Missverständnis, das mir oft in Seminaren begegnet ist, wenn es um die Pflichten gegen sich selbst ging, ist die Auffassung, dass man moralischen Pflichten gegen andere nicht nachkommen müsse, wenn einen das zu sehr anstrengt: So müsse man ein Versprechen, das man dem Vater auf dem Sterbebett gegeben hat, nicht einhalten, wenn sich später herausstellt, dass seine Einlösung aufwendiger und teurer ist als zunächst gedacht. In diesem Beispielfall wurde gesagt, dass man bei Abwägung der Pflichten gegen andere und gegen sich zu der Auffassung kommen könne, dass die Pflichten gegen sich selbst – gemeint ist eine Vermeidung vermeintlich zu großer Anstrengung oder zu großen Aufwands – stärkeres Gewicht hätten. Das ist nun nicht gemeint, wenn von den Pflichten gegen sich selbst die Rede ist. Vielmehr können, wie bereits erwähnt, die Handlungen, die sich aus moralischen Pflichten ergeben, dem Eigeninteresse durchaus zuwiderlaufen.
    Mit der Pflicht gegen sich selbst meint Kant die Pflicht, seine menschliche Würde nicht aufs Spiel zu setzen. Dazu ein längeres Zitat aus seiner Vorlesung:
    »Wenn ein Mensch seine eigene Person entehrt, was kann man von dem noch fordern? Wer die Pflicht gegen sich selbst übertritt, wirft die Menschheit weg und dann ist er nicht mehr im Stande Pflichten gegen andere auszuüben. […] Demnach sind die Pflichten gegen sich selbst die Bedingung, unter der die Pflichten gegen andere können beobachtet werden. […] So ist eine kriechende Unterwürfigkeit uns nicht gleichgültig, solcher Mensch entehrt seine Person. Der Mensch muß nicht kriechend sein, dadurch vergibt man die Menschheit. Aber wenn sich jemand, um was zu gewinnen, von anderen wie ein Ball zu allem gebrauchen und mit sich alles machen läßt, der wirft den Wert der Menschheit weg. Die Lüge ist mehr eine Verletzung der Pflicht gegen sich selbst als gegen andere. Ein Lügner, wenn er auch keinem Menschen dadurch Schaden tut, so ist er doch dadurch ein Gegenstand der Verachtung, er wirft seine Person weg, er handelt niederträchtig, er übertritt die Pflicht gegen sich [29] selbst. […] Ferner, der seine eigene Freiheit wegwirft und sie für Geld verkauft, handelt wider die Menschheit, das Leben ist nicht so hoch zu halten, als daß man, so lange wie man lebt, als ein Mensch lebe, d. h.
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