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Ethik: Grundwissen Philosophie

Ethik: Grundwissen Philosophie

Titel: Ethik: Grundwissen Philosophie
Autoren: Detlef Horster
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völlig fremd ist. Wenn die Versorgung nicht sichergestellt ist, töten sie die Neugeborenen nach der Geburt. (Vgl. Schiefenhövel 1986, 44)
    Der Eindruck, diese Handlungen basierten auf ganz unterschiedlichen Moralregeln und -auffassungen, ist darauf zurückzuführen, dass deren Realisierung kulturell und traditionell anders gehandhabt wird. Doch sieht man an der moralischen Pflicht der Fürsorge, dass sie weltweit zu finden ist, aber dass man ihr in verschiedenen Kulturen auf je unterschiedliche Weise nachkommt. Es ist deshalb wichtig, dass man Moral, Traditionen oder bloße Konventionen und rechtliche Regeln auseinanderhält. Die Abgrenzung der Moral von anderen Regelsystemen gehört in den Bereich der Metaethik, ebenso wie die Frage, ob Moral kultur- und gesellschaftsabhängig ist oder objektiv und universell.
    Nun noch ein Wort zur Unterscheidung von Recht und Moral. (Ausführlich dazu Horster 2004, 117–128) Ich beziehe mich auf Kant, der in der
Einleitung zur Metaphysik der Sitten
Recht und Moral in der Weise unterscheidet, dass die Befolgung moralischer Regeln einem inneren Zwang folgt, das Recht hingegen äußerlich zwingt. Es kann staatlicherseits durchgesetzt werden. (Vgl.AB 31 – AB 36) Wenn man einer Rechtsregel nicht folgt, muss man dabei nicht unbedingt ein schlechtes Gewissen haben: Man kann guten Gewissens falsch parken, bestraft wird man trotzdem. Ungeachtet dieser [11] Unterscheidung gibt es einen Zusammenhang von Recht und Moral. Wie Kurt Bayertz schreibt, sichern Rechtsnormen unsere wichtigen moralischen Regeln ab. (Vgl. Bayertz 2004, 260) So wird etwa das wichtige moralische Gebot, menschliches Leben zu schützen, strafrechtlich mit den §§ 211 und 212 StGB abgesichert.
    Die bisherigen Ausführungen bezeichnet man in der Moralphilosophie als Metaethik. Um es zu wiederholen: Man fragt auf diesem Gebiet, was Moral eigentlich ist, ob moralische Regeln universell oder kulturabhängig sind, ob sie objektiv oder intersubjektiv sind. Mit dieser Bestimmung gehe ich über Norbert Hoerster hinaus, der nur die Frage nach der Begründung von moralischen Urteilen zur Metaethik zählt. (Vgl. Hoerster 1976, 11) Die Frage lautet dann, nach welchen Prinzipien moralische Urteile eigentlich gefällt werden. Damit tun wir einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Klärung dessen, was Moral ist. Hier soll das Beispiel einer zentralen moralischen Regel weiterhelfen, die da lautet, dass Versprechen zu halten sind: A hat seinem Freund B versprochen, ihm am Abend bei der Steuererklärung zu helfen, die er am nächsten Tag abgeben muss. Morgens bekommt A Karten für ein attraktives Europacupspiel geschenkt. A hatte sich lange vergeblich um Karten für dieses Spiel, das ausverkauft ist, bemüht. Das erzählt er seinem Freund C. Der könnte Folgendes einwenden:
    1. Man muss ein Versprechen unbedingt halten.
    2. Der Schaden, den B erleiden würde, würde das Vergnügen, das du erwartest, bei Weitem überwiegen.
    3. In unserer Gesellschaft ist man sich doch einig darüber, dass man Versprechen halten muss.
    4. Unser Zusammenleben würde nicht funktionieren, wenn man sich nicht mehr darauf verlassen könnte, dass Versprechen gehalten werden.
    5. Das muss dir doch dein Gefühl schon sagen, dass du deswegen dein Versprechen nicht brechen darfst.
    Man sieht an den Einwendungen des Freundes, dass moralische Urteile auf ganz verschiedenen Prinzipien basieren [12] können. Auch hier haben wir wieder eine objektive und allgemein anerkannte moralische Regel, deren Befolgung ganz unterschiedlich begründet wird. Im ersten Fall deontologisch (sollensethisch), im zweiten utilitaristisch (nach Nützlichkeitsgesichtspunkten), im dritten kontraktualistisch (vertragstheoretisch), im vierten funktionalistisch und zuletzt sensualistisch (auf das moralische Empfinden rekurrierend). C argumentiert normativ. Die Begründungen moralischen Handelns zu klassifizieren – wie hier getan –, ist hingegen Teil der Metaethik. Diese Klassifizierungen bezeichnen normative Ethikpositionen, von denen zwei gegenwärtig zentral sind: die deontologische und die utilitaristische. Wenn wir uns diesen normativen Positionen zuwenden, verlassen wir den Bereich der Metaethik, den wir einführend betreten hatten.

[13]
Pflichterfüllung: Deontologie oder Sollensethik
    C hält seinem Freund A, der lieber zum Fußball gehen möchte, im ersten Fall entgegen, dass Versprechen unbedingt zu halten sind. Das griechische »deon« heißt im Deutschen Pflicht. Darum spricht
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