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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House
Autoren: Peter Straub
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Tennisschläger - daneben lag eine Vakuumdose voller Tennisbälle. Das Bett bildete ein unordentliches Knäuel langer weißer Gliedmaßen und zerzausten Haars.
    Er hatte sich vorgestellt, er würde Himmelbetten mit Gazevorhängen finden, die verbargen, was aus den Seneschals geworden war. Er hatte sich luxuriöse Suiten, Stilmöbel, alte Gemälde und erlesene Kostbarkeiten vorgestellt. Diese Zimmer sahen wie der Schlafsaal in einem verarmten College aus, und in dieser Kammer, wo das verlotterte Paar in seinem Lotterbett schlief, kam sich Standish vor, als wäre er aus einer langen Trance erwacht. Eine zweidimensionale, gewöhnliche Welt lag um ihn herum, und auch er war ein gewöhnliches Wesen. Er war einfach nur er selbst, was alle vergangenen Tage und Wochen und Jahre aus ihm gemacht hatten. Wenn das ein verkümmerter, monströser Zwerg mit einer Axt war, ließ sich daran eben nichts ändern. So war er in diesen Augenblick hineingeboren worden . Der innere Standish und der andere Standish waren eins, nicht zwei. Möglicherweise zum ersten Mal in seinem Leben seit seiner Kindheit, an die er sich kaum erinnern konnte, akzeptierte sich Standish voll und ganz.
    »Mmmm«, ertönte eine Stimme von dem Bett.
    »Oh«, ertönte eine zweite.
    »Und?«
    »Sollten wir nicht das Licht im Flur löschen?«
    »Noch zu früh«, flüsterte die Männerstimme.
    Standish stand unter der Tür, in der generellen Dunkelheit nicht zu sehen, atmete leise und ebenmäßig und befand sich im Einklang mit sich selbst. Er sah sich selbst mit den Seneschals im Bett, Robert und M., inmitten eines losen Gewirrs aus Armen und Beinen, von ihrer langen Vorgeschichte absorbiert.
    Aber nicht mehr lange und sie würden das Feuer hören und den Rauch riechen. Er wartete, bis sie sich einander in die Arme gekuschelt hatten und leise, komische, fast bezaubernde Schnarchlaute von sich gaben. Dann ging er vorwärts. Keine Reaktion auf dem Bett. Er machte einen weiteren schlurfenden Schritt nach vorn und wußte genau, wie er aussah, eine obszöne Kreatur aus einer geschlossenen Anstalt, der Blut aus zahllosen Wunden tropfte, ein Zwerg, ein Troll, ein Ding . Das wunderbare Tier mit den zwei Rücken auf dem Bett lag vollkommen still. Standish trat direkt neben das Bett und hob die Axt.
    Er ließ sie mit aller Kraft nach unten sausen und war gleichzeitig der Henker mit seinem Holzklotz draußen in der Tundra und Bürokrat am Schreibtisch. Die Axt landete punktgenau am Ansatz des Halses eines der beiden Köpfe des wunderbaren Tiers und trennte fast im selben Augenblick das weiche Fleisch und die Fischgräten der Wirbelsäule durch. Der andere Kopf des Tiers fuhr vom Kissen hoch, als Standish gerade wieder die Axt hob, und bot daher ein perfektes Ziel, blaß wie ein Fisch und in fassungsloser Verwirrung emporgereckt, der vom Hieb der Axt ein Ende bereitet wurde.
    Jetzt war das Bett ein Meer aus Blut. Standish ließ die Axt fallen und hob die beiden abgetrennten Köpfe am Haar von den durchnäßten Laken. Zwei Kissen, die an der Wand lehnten, waren weitgehend trocken geblieben; kaum hatte Standish die beiden Köpfe auf den Boden gelegt, rettete er diese Kissen. Er zerrte die flauschigen Füllungen aus den Bezügen und warf sie auf das Bett zurück. Ohne sich die Gesichter anzusehen, nahm er die Köpfe, steckte sie in die leeren Kissenbezüge und trug sie auf den Flur hinaus. Sie waren erstaunlich schwer, wie Bowlingkugeln. Standish trottete in dem fahlen, dunstigen Nebel den Flur entlang, ließ die schweren Kissenbezüge an den Seiten herabhängen und ging durch den Torbogen in den leeren Raum oben an der Treppe.
    Hier war der Rauch dunkler und sammelte sich wie dicke Wolkenschichten unter der Decke. Aus scheinbar großer Entfernung ertönte ein Zyklongeräusch von Wind, der heftig hierhin und dorthin wehte. Standish passierte den gegenüberliegenden Torbogen und sah die linke Treppenflucht hinunter. Zum erstenmal, seit er das zweite Schlafzimmer verlassen hatte, bemerkte er, wie heiß es geworden war.
    Mehrere klar umrissene Schichten fettigen Rauchs hingen von der Decke und hielten von einer enormen und unentrinnbaren Schwerkraft angezogen auf ihn zu. Eine Mauer aus Hitze harrte seiner am oberen Ende der Treppe und drängte ihn zurück. Wenigstens loderten noch keine Flammen vor ihm. Er rannte die Treppe hinunter und kam sich vor, als wäre er gerade freiwillig in einen Feuerofen gestiegen. Die Haare in seiner Nase glommen schmerzhaft, seine Brauen gingen in Rauch
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