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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House
Autoren: Peter Straub
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Felder und dichten Waldes. Er sah Irrlichter im Moor flackern und begriff, daß auch sie Teile des langen Satzes waren, der ewig andauerte, bis er aus dem Bereich des Sichtbaren verschwand. Auch jedes Menschenleben fügte sich in diesen grandiosen und endlosen Satz ein. Hin und wieder betrachtete er bewundernd und zufrieden das neugeborene Baby im Rückspiegel.
    Er fuhr rasch durch Dörfer und Felder und träumte, daß Kirchen und Pubs und Cottages mit Reetdächern in der Dunkelheit vorüberglitten. Einmal sah er ein großes Haus, noch größer als Esswood, weit entfernt auf der Kuppe eines langgestreckten Hügels stehen; Rolls-Royce und Bentleys und Daimler standen parkend davor, und Licht schien aus jedem Fenster. In den Dörfern gafften und johlten zu lange aufgebliebene zerlumpte Kinder, wenn sie ihn sahen, und auf den Feldern drehten schläfrige Kühe und Pferde die Köpfe und sahen ihm nach, wenn er vorüberfuhr.
    Einmal überfuhr er mitten im dichten Wald ein Tier, das einen gräßlichen Schrei ausstieß.
    Seine Hände wurden steif und erstarrten am Lenkrad. Schmerzen hielten ihn wach, aber das waren nur die Schmerzen des äußeren Standish, so daß der innere Standish, der ein Monster gewesen und inzwischen zum großen, dicken, kichernden Baby geworden war, weiter unbekümmert durch die Nacht brausen konnte. Er schiß und pinkelte sich in die schmutzige, versengte Hose und fuhr trotzdem weiter.
    Schließlich kam er zu den Freiluftfirmen. Alle Lichterketten waren ausgeschaltet und die Fackeln in den Schuppen verstaut worden. Die Maschinen ruhten in den dunklen Durchfahrten, der ewige Staub hatte sich zur Nachtruhe niedergelassen. Doch die riesigen, rutschenden Schlackehalden ragten zum Sternenhimmel empor, und als Standish sie sah, fuhr er langsamer.
    Er löste die rechte Hand vom Lenkrad und beugte sich zur Seite, damit er das Beifahrerfenster herunterkurbeln konnte. Das Auto rollte weiter. Als es sich auf gleicher Höhe mit der ersten Schlackehalde befand, hob Standish einen der Kissenbezüge und warf ihn zum Fenster hinaus. Er prallte auf die Straße und rollte zu der Schlackehalde. Er dachte sich, daß das wohl ausreichen mußte. Er warf den zweiten Kissenbezug dem ersten hinterher zum Fenster hinaus. Dieser schaffte es fast bis über die Straße, ehe er aufschlug und in den Straßengraben kullerte.
    Standish stöhnte und richtete sich wieder auf.
    Schließlich blitzte das Schild HUCKSTALL an seinem Fenster auf und blieb hinter ihm zurück. Er hörte ein Kichern aus den beiden tropfenden Säcken, die nicht mehr neben ihm auf dem Beifahrersitz lagen. Eine leere Welt ohne Ende oder Anfang breitete sich auf beiden Seiten des Autos aus. Dann sah Standish Scheinwerfer weit entfernt auf der Straße. Als er darauf zufuhr, tauchte eine Gestalt auf der Straße auf und trat in die Lichtkegel seines eigenen Autos. Es war ein Mann mit ausgestreckten Armen, dessen Silhouette sich im Scheinwerferlicht abzeichnete. Standish fuhr so nahe hin, bis er erkennen konnte, daß der Mann lächelte, während er mit den Armen ruderte. Der Mann ging näher zum Mittelstreifen hin. Er war nicht das, was Standish erwartet hatte - ein großer junger Mann mit glatten Haaren in einer Windjacke. Das blonde Haar wehte ihm verwegen in die Stirn. Alles hatte einen Sinn; es gab keine Zufälle; jedes Fragment des Daseins in der sichtbaren wie der unsichtbaren Welt hatte seinen Platz in dem einzelnen, unendlichen Satz.
    Als Standish sich dem Mann näherte, gab er plötzlich Gas, und als der Mann die Arme vor das Gesicht schlug und brüllte, da er es gewöhnt war, zu bekommen, was er wollte, das sah man seinen weit auseinanderstehenden Augen und glatten Wangen an, da riß Standish das Lenkrad ruckartig zu dem Mann herum und fuhr direkt auf ihn zu.
    Der Mann prallte mit ungeheurer Wucht gegen das Auto, so daß Standish schmerzhaft gegen das Lenkrad geschleudert wurde. Er wirbelte wie eine Flickenpuppe in die Dunkelheit und verschwand unter dem Auto. Es folgte eine zweite, nicht ganz so heftige Erschütterung, wie vorhin, als Standish über die Tür gefahren war. Er bremste, bis er zum Stillstand kam, riß die Tür auf und wäre beinahe hinausgefallen. Er schaltete in den Leerlauf, ließ aber den Motor an. Er glitt vom Sitz und hörte das Geräusch des Bienenschwarms überall ringsum. Mit langsamen, entschlossenen Schritten und ohne dem zermalmten Körper unter dem Auto Beachtung zu schenken, verließ das arme Baby die Straße und machte sich auf
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