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Esper unter uns

Esper unter uns

Titel: Esper unter uns
Autoren: Dan Morgan
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geworden waren wie die große Pfeife, die er gewöhnlich in einer Hand oder zwischen den starken Zähnen hielt. Der Schock der Entdeckung hatte sich inzwischen soweit gelegt, daß er neue Möglichkeiten ins Auge fassen konnte. Donleavy war nicht sentimental, und sein puritanisches Wesen verabscheute es, unnötige Gefühle zu zeigen. Aber selbst für einen Mann, dessen Bild den neunzig Millionen Einwohnern der Britischen Inseln vertraut war, mußte es eine Privatsphäre geben, wo er sich entspannen und der Mensch sein durfte, der er war. Seit mehr als dreißig Jahren hatte Ella ihm diese Zuflucht geboten.
    Zwischen ihnen gab es absolutes Vertrauen, und in ihrem großen Herzen war genügend Wärme, um ihm über die Düsternis hinwegzuhelfen, die er in seinem eigenen spürte. Sie schenkte ihm Lachen, wenn er es brauchte, und Schweigen und Mitgefühl ebenfalls, auch Leidenschaft, wenn er sich ihres großen, wohlgebauten Körpers erfreute, der in all diesen Jahren nie aufgehört hatte, ihn zu erregen und so völlig zu befriedigen, daß ihm die außerehelichen Abenteuer anderer völlig unverständlich waren.
    Und jetzt – was ist, wenn Ella stirbt? Der Gedanke lähmte ihn.
    Bandrys Stimme war schrill und voll der gönnerhaften Selbstherrlichkeit des Fachmanns, der mit einem Laien spricht.
    »Mein teurer Premierminister, ich versichere Ihnen, daß unsere Untersuchungen und Tests so gründlich waren, wie es nur möglich ist. Sie bestätigen, daß eine Gehirnblutung starken Ausmaßes mit weitreichenden Folgen stattgefunden hat. Im Augenblick können wir lediglich hoffen, den gegenwärtigen Zustand aufrechtzuerhalten – das heißt, die Möglichkeit weiterer Blutungen durch Medikamente einzuschränken. Das menschliche Gehirn ist ein bemerkenswertes Organ, mit beachtlichen Adaptationskräften. Es wäre möglich, daß sich mit der Zeit eine Besserung ergibt, doch ich kann es Ihnen keineswegs versprechen.«
    »Und inzwischen?«
    »Ihre Frau lebt zumindest. Unter den gegebenen Umständen könnte man das allein schon als Wunder bezeichnen.«
    Dieser lächerliche Trost erweckte neuen Ärger in Donleavy. »Leben nennen Sie das? Wie können Sie so verdammt selbstgefällig sein, wenn sie hilflos daliegt, ohne sich bewegen oder sprechen zu können? Wie sieht es mit einer Operation aus?«
    »Ich zog es bereits in Betracht. Aber es wäre wenig dadurch zu gewinnen. Die optimistischste der Prognosen, die ich von den verschiedenen Experten einholte, schließt nicht aus, daß eine solch komplexe Operation einer Lobotomie gleichkäme. Das Risiko ist zu groß, aber es liegt natürlich bei Ihnen, auf einer Operation zu bestehen.«
    »Nein, unter diesen Umständen lieber keine Operation! Doch ich möchte, daß absolut alles getan wird, was zu einer natürlichen Genesung führen könnte.«
    »Das ist selbstverständlich«, versicherte ihm Bandry mit schmalen Lippen. »Sie dürfen sie jetzt besuchen.«
     
    Donleavy schaute hinab auf die stille Gestalt im Bett und war dankbar, daß das Unglück, das Ella getroffen hatte, ihr Aussehen nicht beeinträchtigte. Obgleich er es durchaus als ernsthaften Charakterfehler erkannte, war es ihm nie gelungen, seine Reaktion der Abscheu gegenüber jeglicher Art von Entstellung des menschlichen Gesichts oder Körpers zu unterdrücken. Selbst jetzt noch, nach Jahren strengster Selbstbeherrschung, drehte ihm allein der Gedanke fast den Magen um, einem an einer unheilbaren Krankheit Leidenden die Hand schütteln zu müssen.
    Nie zuvor war ihm bewußt gewesen, wie sehr das Haar das Aussehen eines Menschen beeinflußte. Nur von einem enganliegenden Turban aus rosa Bandagen bedeckt, wirkte Ellas kahlrasierter Kopf seltsam klein. Ihres normalen Rahmens beraubt, sahen ihre Züge irgendwie unfertig und ihre starke, feine Nase fast häßlich aus, und Mund und Kinn schwach und hilflos. Außerdem erschien diese bandagierte Gestalt unter der glattgestrichenen Bettdecke geschlechtslos zu sein, was so absolut nicht zu seinem Bild Ellas paßte.
    Einen Moment spielte seine Vorstellung hoffnungsvoll mit dem Gedanken, daß man ihn versehentlich in ein falsches Zimmer geschickt hatte. Die echte Ella, mit ihrem beeindruckend guten Aussehen und der Fülle kastanienfarbigen Haares, wartete in einem anderen Zimmer auf ihn, um ihn mit ihren dunklen Zigeuneraugen zur herzlichen Begrüßung anzulächeln.
    Er riß sich aus seinem Wunschtraum und beugte sich über das fremdwirkende Gesicht, als versuche er kraft seines Willens, die
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