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Esper unter uns

Esper unter uns

Titel: Esper unter uns
Autoren: Dan Morgan
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stark.
    »Komm, sag guten Abend zu Mama.«
    Er folgte Flower in die Küche. Die ganze weibliche Verwandtschaft und Frauen aus der Nachbarschaft arbeiteten hier unter der Oberaufsicht von Mama O’Connor, einer großen, gutaussehenden Frau. Sie drehte sich vom Schmalztopf mit den backenden Hühnchen um und lächelte Victor herzlich an.
    »Schön, daß Sie kommen konnten, Dr. Coleman.«
    »Mama, warum so förmlich, du weißt, daß er Victor heißt.«
    »Ich weiß auch, daß er dein Chef ist«, erwiderte Mama mit Würde. »Wo sind deine Manieren? Wie kannst du verlangen, daß ich ihn beim Taufnamen nenne? Es gibt eben heutzutage keinen Respekt mehr!«
    Flower schüttelte lachend den Kopf. »O Mama!«
    »Ich freue mich, hier sein zu dürfen, Mrs. O’Connor.« Victor nahm die feste braune Hand in seine. Er beneidete Flower, weil sie in einer Familie mit solchem Zusammengehörigkeitsgefühl hatte aufwachsen dürfen, wo man ihr »Anderssein« ohne Getue akzeptierte. Dadurch war sie auch von der traumatischen Isolierung verschont geblieben, unter der der Durchschnittspsimensch litt.
    »Und nun amüsiert euch schön, ihr zwei«, verabschiedete Mama O’Connor sie und wandte sich wieder dem brutzelnden Fettopf zu.
    »Wo ist dein Vater?« fragte Victor, als sie ins Wohnzimmer zurückkehrten.
    »Er spielt vermutlich Karten mit den Jungs im Hinterzimmer. Du kannst ihn später begrüßen.«
    Wieder spürte Victor den Schatten in ihrem Geist, die brütende Sorge, die sie seit Tagen vor ihm zu verheimlichen suchte. Aber selbst in einer Verbindung wie ihrer war eine gewisse Zurückhaltung geboten. Flower würde ihn schon in ihr Vertrauen ziehen, sobald sie die Zeit dafür für gekommen hielt.
    Ein junger Mann in Hose und Bolero aus Goldlamé tanzte solo mit ungemein geschmeidigen Bewegungen und einer aus innen kommenden Kraft. Sein Gesicht war eine unbewegte Maske, die erst Leben annahm, als die Musik verstummte. Er erblickte Flower, riß sie von den Füßen und wirbelte sie um sich.
    »Was ist mit dir passiert, Blumenkind? Ich könnte schwören, daß du noch schöner bist als je zuvor.«
    Flower strampelte, um auf den Boden zu kommen. »Cass, du Clown, laß mich endlich wieder herunter.«
    »Nur wenn du versprichst, mit mir zu tanzen, sobald ich meinen Atem zurückhabe.« Er gab sie frei und wandte sich Victor zu. Er streckte ihm die Hand entgegen. »Hallo, Sie müssen Dr. Coleman sein. Ich habe so viel von Ihnen gehört. Ich bin Cass Delahoy.«
    Cass’ Griff war fest, seine Augen abschätzend, aber freundlich. Victor war überrascht, als er tief in ihnen ein beachtliches unentwickeltes Psipotential entdeckte. »Freue mich, Sie kennenzulernen, Cass.«
    Flower – wieso hast du mir nie von Cass erzählt? Mit etwas Ausbildung kann er einer von uns werden.
    Nicht Cass! Er hat eine stärkere Verpflichtung, als der Verband ihm auferlegen könnte. Du wirst es selbst merken, wenn du dich mit ihm unterhältst. Tu es gleich.
    »Cass, ich wette, du könntest jetzt ein Glas Bowle brauchen.«
    »Eine ganze Kanne, Flower!«
    »Weißt du was, geh mit Victor in Mamas Zimmer, dann bring ich dir eine Kanne voll, gut?«
    »Dazu ein paar Hühnerschenkel und gebratene Bananen, dann tu ich alles, was du willst, Blumenmädchen.«
     
    Cass streckte sich auf dem weichen Diwan aus und verschränkte die Hände unter dem Kopf.
    »Mann, Sie haben das große Los gezogen«, brummte Cass. »Ich muß es wissen, ich kenne Flower, seit sie ein kleines, mageres Mädchen mit riesigen Augen und kaum zu bändigenden Zöpfen war.«
    Victor ließ sich auf einem Hocker neben dem Frisiertisch nieder. »Wie kommt es, daß ich Sie nie kennengelernt habe, Cass?«
    »Weil ich in den vergangenen achtzehn Monaten in den Vereinigten Staaten Geld machte.«
    »Gut für Sie.«
    »Meinen Sie?« Cass schüttelte, grinsend den Kopf. »Mann, es war ein Desaster! Sie brauchen meine Art von Musik wie den Kalender vom vergangenen Jahr.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Ich bin das kluge Bürschchen, das unbedingt in die USA mußte, um zu beweisen, daß der alte transatlantische Rückstand von zwanzig Jahren immer noch existiert. Reggae ist im Grund genommen Protestmusik, die Art, die sie dort drüben in den sechziger und siebziger Jahren machten.« Cass lachte. »Mann! Sie schauten mich an, als wäre ich geradewegs aus dem Dschungel gekommen – wenn sie mir überhaupt einen Blick gönnten. Sie wollen nicht an Blut und Feuer erinnert werden. Sie haben ihre Rassenprobleme dort ein für
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