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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt
Autoren: Dora Heldt
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    Der Anruf
    Als Hugh Grant in den Wagen sprang, um im letzten Moment die Liebe seines Lebens am Flughafen abzufangen, klingelte das Telefon.
    Meine Schwester und ich zuckten zusammen.
    »Ach, nee, zehn Minuten vor dem Happyend.«
    Ines drückte auf die Stopptaste der Fernbedienung, stand auf und nahm den Hörer ab.
    Ich beobachtete das Standbild, den verzweifelt verliebten Hugh Grant.
    »Für dich. Dein Mann hat wohl Sehnsucht.«
    »Blödsinn, ich bin erst heute Morgen losgefahren.«
    Wir lebten auf dem Land, ungefähr 150   Kilometer von Hamburg entfernt. Nordseeküste, dicht am Meer, aber auch am Ende der Welt. Es war schön dort. Bernd stammte
     aus dem Dorf, für meinen Job war es allerdings ein schlechter Standort. Ich besuchte im Außendienst Kunden in Hamburg und
     Niedersachsen, musste häufig auswärts übernachten. Wenn ich Termine in Hamburg hatte, wohnte ich bei meiner Schwester. Heute
     war der erste Tag, wir hatten einen faulen Mädchenabend geplant, ›Notting Hill‹ und kalter Weißwein.
    Mein Mann war kein Mensch der Sehnsüchte, auch wenn ich oft hoffte, das könnte sich noch ändern.
    Ich nahm Ines den Hörer aus der Hand.
    »Na, Bernd, was habe ich vergessen? Oder kann ich dich in zehn Minuten zurückrufen? Dann ist nämlich der Film zu Ende.«
    »Ich muß mit dir reden.«
    Es war etwas in seiner Stimme, das mich dazu brachte, den |8| Platz neben meiner Schwester zu verlassen und mit dem Telefon in ihr Büro zu gehen.
    »Worüber?«
    Bernd räusperte sich und schwieg. Ich auch.
    Wir waren fast zehn Jahre verheiratet. In den letzten vier Jahren hatte sich etwas zwischen uns verändert. Ich verdrängte
     meistens die Gedanken daran, hoffte, es würde auch wieder besser.
    Bernd war kein Mann, der gern über Gefühle sprach, eigentlich lehnte er dieses Thema sogar ab. Also hatte ich mich damit abgefunden,
     Teil eines guten Teams zu sein, nach zehn Jahren konnte man auch keine großen Gefühle oder leidenschaftlichen Sex mehr erwarten.
    Das Schweigen wurde von einem weiteren Räuspern unterbrochen.
    Ich hielt es nicht mehr aus.
    »Ist etwas passiert?«
    »Ja, nein, ich meine, ich habe nachgedacht.«
    Mir kam es so vor, als wäre er angetrunken. »Und worüber?«
    »Ich, ähm, also, Christine, ich will mich von dir trennen.«
    Der Blitz schlug ein. Mir wurde schlecht, ich spürte meinen rasenden Herzschlag und ich begann zu zittern.
    Ich hatte das Gefühl, mir blieb keine Zeit.
    »Hast du was getrunken? Was ist denn passiert? Ist was mit dir? Heute morgen war doch noch alles in Ordnung. Was soll das
     denn alles heißen? Bernd, sag doch was!«
    Meine Stimme wurde schrill.
    Bernd räusperte sich und schwieg.
    Ich verstand nichts von dem, was hier gerade passierte. Das Wochenende war wie immer gewesen. Samstags hatten wir bei unseren
     Nachbarn eine Party gefeiert, es war nett, alle hatten gute Laune. Bernd ging schon relativ früh nach Hause, sagte mir, ich
     solle ruhig noch bleiben, er hätte nur schon zu viel Wein getrunken und wäre müde.
    |9| Als ich später zurückkam, lag er im Bett und schlief.
    Der Sonntag war wie unzählige Sonntage zuvor. Frühstück, danach arbeitete ich am Schreibtisch, Bernd reparierte irgendetwas
     in der Garage, mittags kurz zu seinen Eltern, der Nachmittag verging mit Lesen, Kaffee, Fernsehen, Bügeln. Abends packte ich
     meine Tasche für die kommende Woche, alles ganz normal.
    Und jetzt, vierundzwanzig Stunden später, das.
    »Bernd, bitte, du kannst mich doch nicht einfach bei Ines anrufen und mir so was um die Ohren hauen.«
    »Es ist nur so, dass mir alles zu viel wird, das Haus, mein Job, unsere Ehe. Das Leben ist so kurz.«
    Ich begriff nicht.
    »Wieso das Haus? Dann müssen wir sehen, ob wir was ändern können. Das kriegen wir doch zusammen hin.«
    »Darum geht es doch nicht. Ich will einfach nicht mehr mit dir leben.«
    Mir war unglaublich schlecht.
    »Aber da müssen wir doch drüber reden, das geht doch nicht am Telefon.«
    »Wann bist du denn wieder hier?«
    Mein Reiseplan, auf dem alle meine Außendiensttermine standen, hing seit Jahren in der Küche. Bernd wusste trotzdem nie, wo
     ich wann war.
    »Ich verschiebe meine Termine irgendwie. Ich komme morgen Abend nach Hause.«
    »Gut, dann reden wir. Das ändert aber nichts an meinem Entschluss.«
    In diesem Moment begriff ich, dass er es wirklich alles so meinte und was hier passierte. Mein ganzer Körper fühlte sich fremd
     an.
    »Bis morgen.«
    Er hatte schon aufgelegt.
    Ich drückte den roten
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