Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Esper unter uns

Esper unter uns

Titel: Esper unter uns
Autoren: Dan Morgan
Vom Netzwerk:
an. »Was wollen Sie sagen?«
    »Etwas, das vorzuschlagen ich kein Recht hatte«, erwiderte Victor. »Natürlich müssen Sie tun, was Sie für Ihre Familie für das Beste halten.«
    »Es ist Ihnen doch klar, daß Flower zu dieser Familie gehört?« sagte Sam. »Ich würde nicht von ihr verlangen, daß sie mit uns nach Jamaika zurückkehrt. Sie muß die Entscheidung selbst treffen.«
    »Sie würde mit Ihnen gehen, daran zweifle ich nicht.«
    »Außer sie wäre verheiratet«, sagte Sam ruhig. »Dann wäre ihr Platz an der Seite ihres Mannes, wer immer er auch ist.«
    Eine schartige Klinge schien in Victors Innerem zu wühlen. Sam schaute ihn einen Moment forschend an, dann stand er auf. »Mama wird mich bestimmt schon suchen.«
    »Sam!«
    Der große Mann mit den dunklen, edlen Zügen drehte sich an der Tür um. »Ja?«
    Victor biß sich auf die Lippe vor Verlegenheit, als er verzweifelt die richtigen Worte suchte. »Ich liebe sie, Sam«, sagte er schließlich und konnte nur hoffen, daß diese simple Tatsache genügte.
    »Dann gibt es ja kein Problem, oder?« fragte Sam. Er schloß die Tür hinter sich.
    Victor ballte die Hände. Es war unmöglich gewesen, diesem aufrechten Mann mit seiner patriarchaischen Moral die Situation zwischen Flower und ihm zu erklären. Für Sam konnte sein Geständnis, daß er Flower liebte, nur eines bedeuten, daß er sie zu heiraten beabsichtigte. Aber was war, wenn es nicht zur Heirat kam? Sam würde ihn nicht mit der Waffe dazu zwingen, ja er würde ihm nicht einmal Vorwürfe machen. Victor genügte allein schon die Überzeugung, daß dieser Mann, vor dem er solche Hochachtung empfand, ihn verachten würde, weil er glauben mußte, seine Feigheit angesichts des gesellschaftlichen Druckes hätte ihn davon abgehalten, Flower zu heiraten.
    Um seinem Grübeln zu entgehen, trat Victor hinaus in das lärmende Durcheinander des Wohnzimmers, um in dem Meer von Gesichtern nach denen von Flower und Cass zu suchen. Er entdeckte sie nicht, und das Gefühl überwältigte ihn, daß er mit seiner bleichen Haut hier nicht erwünscht war. Er stolperte durch die dröhnende Flut des Reggaes in die Zuflucht des Badezimmers. Die Mischung aus schwerem Essen und starkem Alkohol schien sich in seinem Magen zu einem unverdaulichen Klumpen zusammengeballt zu haben. Öliger Schweiß perlte auf seiner Stirn.
    Er hängte seine Jacke an einen Wandhaken und tauchte sein Gesicht in kaltes Wasser, das er ins Waschbecken laufen ließ. Als er sich mit einem Handtuch abtrocknete, öffnete sich die Tür hinter ihm. »Ich habe es gleich. Wenn Sie …« Die Worte erstarrten in seiner Kehle, als sein Psisinn das Gehirnmuster der Person hinter ihm aufnahm und er sie als das desjenigen erkannte, von dem er den Haßstoß früher am Abend empfangen hatte. Er drehte sich zu dem Mann um, der inzwischen ein Rasiermesser in der Hand hielt.
    »Was wollen Sie?« Victor spürte das kalte Waschbecken gegen seine Kehrseite drücken.
    »Nur eine kleine intime Unterhaltung, Doktor! « Ganjagerötete Augen funkelten ihn an. »Ich bin Batchy Royd – das wirst du auch sicher nicht vergessen, Angloboy, denn ich bin der Rasta, der dir die Eier abschneiden wird.«
    Victor ballte vorsichtig das Handtuch in seiner Linken zusammen. Er bezweifelte nicht, daß sein Gegner ein kräftiger und gefährlicher Kämpfer war, aber vielleicht waren seine Reflexe durch Alkohol und Gras soweit verlangsamt, daß er eine faire Chance hatte. In dem engen Badezimmer war wenig Platz für Ausweichmanöver, aber vielleicht konnte sich bei einem direkten Frontalangriff das Handtuch als wirksamer Schild erweisen.
    »Du kannst es ja versuchen, Batchy Royd – aber willst du mir nicht den Grund verraten?« Victor versuchte Zeit zu schinden.
    »Als ob du das nicht wüßtest, Angloboy. Schlimm genug, daß du dir herausnimmst, dir eines unserer hübschesten Mädchen ins Bett zu holen, hast du auch noch die Unverschämtheit, hierherzukommen und dich unter anständige Leute zu mischen. Darum muß jemand dir eine Lehre erteilen!«
    Victors Sinne schienen geschärft zu sein. Er empfand eine merkwürdige, eiskalte Ruhe, ein Gefühl, als wäre dieser Moment außerhalb normaler Zeit und existiere in einer eigenen Ewigkeit. Sowohl er als auch sein Gegner schienen auf etwas zu warten, ein katalytisches Element, das den Bann dieser erstarrten Szene brechen würde.
    Der Auslöser war schließlich die Spur einer Bewegung von seiten Royds. Victor warf sich nach vorn. Die durch das Handtuch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher