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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition)
Autoren: Siba Shakib
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richtet.
    Während der Fernseher Khomeini zeigt, wie er etwas höher auf einem Balkon steht und Hände von Männern berührt, die sich ihm entgegenstrecken, sagt ein Mann im Teehaus: Khomeini verkündet, er ist gegen jedwede Art von Freiheit im westlichen Sinn; gegen die vom Schah eingeführten unsittlichen Freiheiten für Frauen; gegen westliche und nichtreligiöse Musik; gegen westliche Lehren wie Physik und Chemie; gegen moderne Wissenschaften und vieles mehr.
    Was sagen Sie dazu?, fragt Nimtadj einen anderen Mann, der schweigend den Fernseher anstarrt.
    Ich verstehe nichts von Politik, antwortet der Mann. Ich weiß nur, dass wir zu Millionen auf die Straße gegangen sind, und Abertausende haben ihr Leben und ihr Blut gegeben.
    Was wollen Sie damit sagen?, hakt Nimtadj nach.
    Nichts, nur das, was ich gesagt habe, antwortet der Mann in Nimtadjs Kamera, nimmt seinen Hut und verlässt das Teehaus.
    Wie gewaltige Donner grollen die Parolen der Demonstranten durch die Straßen der Hauptstadt und anderer Städte des Landes.
    Na sharqi – na qarbi – jomhouriehe eslami.
    Weder Ost – noch West – Islamische Republik.
    Marg bar Amrika. Marg bar Esrail, Marg bar Bakhtiar, nokare biekhtiar.
    Tod Amerika, Tod Israel, Tod Bakhtiar, dem letzten vom Schah ernannten Premier, der nichts weiter ist als ein Lakai der Amerikaner.
    Wieder ein paar Wochen später, es ist bereits dunkel, und eigentlich will Nimtadj nach Hause, kommt ihr eine Gruppe Männer entgegen, sie tragen blutverschmierte Hemden.
    Kommen Sie mit, sagen sie. Wir sind auf dem Weg zum Quartier des Ayatollah-Khomeini. Wir sind Soldaten und Offiziere gewesen, die desertiert sind und uns auf die Seite des Volkes geschlagen haben. Wir haben unsere Hemden aufgerissen und uns mit nackter Brust den Panzern des Königs und der Amrikai gestellt, rufen sie. Jetzt wollen wir an der Macht beteiligt werden.
    Nimtadj zögert, schließt sich dann aber den Männern an.
    Aber warum gehen Sie nicht zurück in Ihre Kaserne und zu Ihren Posten?, fragt Nimtadj. Das gesamte Militär und seine Führung haben ihre Neutralität angekündigt.
    Wir wollen nicht neutral sein, antwortet einer der Männer. Wir gehen zum verehrten Ayatollah, um ihm unsere Hilfe anzubieten.
    Khomeini hat eine Mädchenschule besetzt, sagt ein Mann, der eine frische Narbe im Gesicht hat. Die Schule ist gleichzeitig sein Wohnhaus und seine Kommandozentrale. Das Komiteye-Emam ist das erste von ungezählten Komitees, erklärt er.
    Die selbsternannten Wächter sind oft nur Jugendliche, und sie sind schwer bewaffnet, sagt Nimtadj.
    Sie sind unsere Revolutionsgarden, sagt der Mann mit der Narbe, und die Komitees sind die neuen Macht- und Kommandozentralen des Landes.
    Stimmt es, dass auf dem Dach der Schule täglich Menschen erschossen werden, die vom Ayatollah für schuldig befunden werden?, fragt Nimtadj.
    Wer schuldig ist, ist schuldig, antwortet der Mann mit der Narbe in Nimtadjs Kamera.
     
    Geschichte wiederholt sich, sagt Eskandar-Agha, als er Nimtadjs Aufnahmen von der Hinrichtung zweier Männer sieht.
    Sie stürmen sogar die privaten Häuser, sagt Nimtadj leise. Menschen wie Sie und ich werden öffentlich gelyncht und gehängt, in ihren eigenen Häusern erschossen und mit dem Beil in Stücke gehackt.
    Geschichte wiederholt sich, sagt Eskandar-Agha noch einmal.
    Wir werden ins Ausland reisen, verkündet Roxana-Khanum. Wir haben genug Unglück in unserer Familie gehabt.
    Mutter, hör endlich auf, zu träumen und falsche Hoffnungen zu wecken, raunt Nimtadj leise, damit Aftab sie nicht hören kann. Die Regierung ist aufgelöst, in den Ämtern, Ministerien, in der Verwaltung und den Banken arbeitet niemand mehr. Der Zoll, die Post sind geschlossen. Selbst im Basar sind die meisten Läden und Buden zu. Der Flughafen und alle Grenzen sind geschlossen. Niemand kann ausreisen. Es sei denn, du willst zu Fuß und heimlich über eine der Grenzen in den Bergen.
    Am Abend sitzen alle vor dem Fernseher, als Bilder von Ayatollah-Khomeini über den Bildschirm laufen und er die Islamische Republik Iran ausruft. Aftab reckt die Faust und ruft, na sharqi – na qarbi, jomhouriehe eslami, worauf Eskandar-Agha ihr auf den Kopf haut.
    Er ist ein alter Mann, lass ihn, er weiß nicht, was er tut. Er hat es nicht so gemeint, tröstet Roxana-Khanum ihre Enkelin. Aber eins lass dir gesagt sein, wenn du es wagst, auch nur an Politik zu denken, bekommst du es mit mir zu tun. Und das kann ich dir versprechen, anders als der alte
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