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Eskandar: Roman (German Edition)

Eskandar: Roman (German Edition)

Titel: Eskandar: Roman (German Edition)
Autoren: Siba Shakib
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Eskandar-Agha habe ich noch Kraft in der Hand.
     
    Der Iran ist ein halbes Jahr lang eine Islamische Republik, als Alexander an einem kalten Novembertag wieder einmal verschwindet. Roxana-Khanum, Agha-Farrokh, Nimtadj und erst recht Eskandar-Agha sind nicht besorgt. Sie haben sich daran gewöhnt, dass er unbemerkt aus seinem Zimmer schleicht, irgendwo im Garten schläft, in die Berge oder sonst wohin fährt und erst nach Tagen zurückkommt und sich wieder in seinem Zimmer einschließt.
    Ich weiß, wo mein Vater ist, sagt Aftab. Er hat gesagt, er will den Tod meiner Mutter rächen, und er ist zur Botschaft der Amrikai gegangen.
    Als sie dann am Abend im Fernsehen die Nachrichten sehen, wird Roxana-Khanum doch ein wenig nervös. 400 Studenten haben die amerikanische Botschaft besetzt und haben sechsundsechzig Geiseln genommen, unter ihnen den Botschafter.
    Khanum, wir sollten auf keinen Fall mit Ihrer auffälligen schwarzen Limousine fahren, sagt Eskandar-Agha. Lassen Sie uns eine Droschke nehmen.
    Was ist eine Droschke?, fragt Aftab.
    Etwas, das es längst nicht mehr gibt, antwortet Roxana-Khanum. Und meine Limousine ist inzwischen auch nur noch ein Schlafplatz für die Hühner.
    Das ist wirklich schade, sagt Eskandar-Agha. Ich bin gerne in Ihrer Limousine gefahren. Und wie kommen wir jetzt zu Mahrokh-Khanum? Sie ist die Einzige, die uns in dieser Lage helfen kann.
    Wer ist Mahrokh-Khanum?, fragt Aftab.
    Noch eine, die es längst nicht mehr gibt, antwortet Roxana-Khanum.
    Als die Nachrichten zu Ende sind und ein Mullah den Koran rezitiert, schimpft Eskandar-Agha, sein Arabisch ist schlecht, es tut in den Ohren weh, ich kann das besser, sagt Eskandar-Agha und murmelt die Suren leise mit.
    Habt ihr gehört?, fragt Nimtadj. Die Geiselnehmer verlangen von den Amrikai, dass sie den Schah ausliefern. Sie haben Angst, dass die Amrikai, wie zu Mossadeghs Zeiten, den König wieder stärken und ihm auf den Thron zurückhelfen.
    Ich habe für Mossadegh gearbeitet, sagt Eskandar-Agha.
    So ein Unsinn, sagt Nimtadj. Schließlich haben die Amrikai selbst den Schah verjagt und Khomeini Tür und Tor geöffnet.
    Psst, macht Roxana-Khanum, das Kind. Sprich nicht über diese Dinge vor ihr. Nachher verplappert sie sich vor irgendjemandem und bringt uns alle in Gefahr.
    Ich werde mich nicht verplappern, sagt Aftab.
    Stellen Sie bitte den Fernseher lauter, ruft Agha-Farrokh, sobald das Gesicht des Nachrichtensprechers wieder auf dem Bildschirm erscheint.
    Die amerikanische Regierung hat jeglichen iranischen Besitz in den USA eingefroren, verkündet der Sprecher.
    Ob die wohl auch mein Konto eingefroren haben?, fragt Roxana-Khanum.
    Sie haben Konten in Amrika?, wundert Agha-Farrokh sich.
    Die Regierung der USA hat sechs Hubschrauber zur Befreiung ihrer Geiseln geschickt, sagt der Nachrichtensprecher. Sie sind jedoch in einem Sandsturm abgestürzt.
    Die haben sie selber heruntergeholt, sagt Eskandar-Agha. Sie wollen ihre Leute gar nicht befreien, sie brauchen den Iran als Feind.
     
    Ein paar Wochen ist die Botschaft besetzt, da taucht Alexander wieder auf. Er küsst seine Tochter auf die Stirn, sagt, salam Sahra-djan, und verschwindet wieder in seinem Zimmer.
    Baba-djan, ich bin Aftab, sagt Aftab.
    Gott ist gütig, sagt Roxana-Khanum. Er hat mir meinen Sohn zurückgegeben. Als Zeichen ihrer Dankbarkeit schenkt sie dem ersten Bettler, der an ihre Tür klopft, einen ihrer alten Pelzmäntel.
    Khanum, wenn Sie jedes Mal, wenn der Junge verschwindet und wieder auftaucht, als Dank einem Bettler einen ihrer Mäntel schenken wollen, garantiere ich Ihnen, werden Sie schon bald keinen einzigen ihrer kostbaren Pelzmäntel mehr besitzen, sagt Agha-Farrokh. Und er behält recht.
    Denn als nach 444 Tagen die Geiseln freigelassen werden, ist Alexander so oft verschwunden und wieder aufgetaucht, dass von den wertvollen Mänteln, die Roxana-Khanum besessen hat, nur noch ein Hauch ihres Geruchs im Schrank übrig ist.
    Bring mir einen Stift und Papier, bittet Eskandar-Agha seine Enkelin Aftab.
    Lassen Sie mich für Sie schreiben, Agha-Bozorg, sagt Aftab.
    Du kannst schreiben?, fragt Eskandar-Agah.
    Ich habe die beste Note im Diktat.
    Wie alt bist du?
    Ungefähr zwei Wochen älter als das letzte Mal, als Sie mich gefragt haben, aber noch immer neun Jahre alt.
    Du hast in meinen Notizen gelesen.
    Das habe ich, gibt Aftab unumwunden zu. Und jetzt diktieren Sie.
    Hiermit vermache ich all meine Notizen und Fotografien meiner lieben und geliebten Enkelin Aftab,
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